piwik no script img

Christopher Street Day"Die CDU akzeptiert das Grundgesetz nicht"

CSD-Geschäftsführer Robert Kastl über den Ausschluss der CDU vom Umzug und eine Repolitisierung des lange als inhaltsleer verschrienen CSDs.

Beim CSD im vergangenen Jahr. Bild: dpa
Antje Lang-Lendorff
Interview von Antje Lang-Lendorff

taz: Herr Kastl, wie sieht es denn nun aus: Darf CDU-Landeschef Frank Henkel beim CSD mitfahren?

Robert Kastl: Frank Henkel dürfte mitfahren. Nach meinen Informationen wird er das aber nicht tun. Warum nicht, kann ich nicht sagen.

Wenn Henkel mitfahren dürfte, dürfte das ja wohl auch die Berliner CDU, deren Vorsitzender er ist. Aber die haben Sie ausgeschlossen.

Wir haben nicht die Berliner CDU ausgeschlossen, sondern die CDU allgemein. Im Zweifelsfall ist die ganze Partei an Präsidiums- und Parteitagsbeschlüsse gebunden. Und genau damit haben wir ein Problem.

Welches?

Die CDU weigert sich, das Grundgesetz zu akzeptieren. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach klargemacht, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft mit der Ehe gleichgestellt werden muss. Trotzdem hat die CDU noch im Dezember 2012 auf einem Parteitag beschlossen: Wir wollen keine Gleichstellung. In unseren Augen ist das eine trotzige Kindergartenreaktion. Da sagen wir: Mit uns nicht.

CSD und Transgenialer CSD

Der Umzug des Christopher Street Day (CSD) führt am Samstag, den 22. Juni vom Kurfürstendamm Ecke Joachimstaler Straße über Wittenbergplatz, Nollendorfplatz, Lützowplatz, Großer Stern und Straße des 17. Juni zum Brandenburger Tor. Los gehts um 12.30 Uhr, die Ankunft am Brandenburger Tor ist gegen 17 Uhr geplant.

Der Transgeniale CSD versteht sich als politische Alternative zum CSD und als antifaschistisch, queerfeministisch und antirassistisch. Er findet auch am Samstag statt und führt vom Platz der Luftbrücke über den Mehringdamm, Südstern, Hermannplatz, Kottbusser Damm und Oranienplatz zum Mariannenplatz. Beginn: 14 Uhr, die Ankunft am Mariannenplatz ist gegen 18 Uhr geplant. (taz)

Ist das nicht auch eine Kindergartenreaktion? Statt die CDU auszuschließen, könnten Sie das Gespräch suchen.

Es kam ja noch schlimmer. Im Frühjahr, nach dem letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichts, begannen die Steinbachs, Kauders und wie sie alle heißen, über Schwule und Lesben zu ätzen – dass wir die Ehe bedrohten, dass der Fortbestand der Menschheit gefährdet sei. Da war für uns klar: Wir werden unterbinden, dass sich die CDU auf dem CSD positiv darstellen kann.

Wenn aber die CDU nicht mitfährt, wieso dürfte das dann Frank Henkel?

Wenn wir die CDU als Partei rausschmeißen, heißt das nicht, dass keine einzelnen Politiker kommen dürfen. Jeder, der für Gleichheit demonstriert, darf auch bei uns mitmachen. Die LSU, also die „Lesben und Schwulen in der Union“, wurden von vornherein eingeladen, einen Wagen zu machen. Das werden sie auch tun. Wir wollen keine ideologischen Ausschlüsse Einzelner, sondern einer Partei.

Dem CSD wird seit Jahren vorgehalten, zu unpolitisch zu sein. Kommt Ihnen der CDU-Streit insofern gelegen?

Sagen wir so: Es trifft sich ganz gut. Es wird auch eine Aktion vor der CDU-Parteizentrale geben, wenn wir da vorbeilaufen.

Robert Kastl

42, PR-Berater, ist seit 2000 im Verein mit dabei, seit 2008 Geschäftsführer des CSD.

Sie meinen, Sie haben es auf den Streit angelegt, um wieder politischer rüberzukommen?

Es geht nicht darum, so rüberzukommen, sondern so zu sein! Es war ein zeitlicher Zufall, dass das Bundesverfassungsgericht so geurteilt hat. Den haben wir in unserem Sinne genutzt. Wobei wir schon seit ein paar Jahren eine Repolitisierung vorantreiben.

1979 fand in Berlin der erste CSD mit 400 Leuten statt. Wie lange dauerte es, bis der CSD groß wurde?

Das plätscherte lange vor sich hin. Mitte bis Ende der neunziger Jahre kamen dann Hunderttausende. Tatsächlich schwierig war die Zeit nach der Jahrtausendwende, da wurde der Zug entpolitisiert. Jeder sprang mit auf, der CSD wurde zur anderen Loveparade. Da mussten wir gegensteuern.

Wie denn?

Wir unterstützen zum Beispiel kleinere Initiativen, übernehmen Kosten, damit auch sie teilnehmen können und nicht nur die großen Gruppen mit ihren Sponsoren. Wir müssen die Leute mitnehmen, was schwierig ist, weil die Community in Berlin wahnsinnig träge ist. Dieses Jahr wird es auch eine Prämierung der besten Gruppen geben. Dabei geht es nicht darum, möglichst groß, fett, laut zu sein, sondern um Inhalte.

Dem CSD wurde auch oft vorgeworfen, zu kommerziell zu sein. Was tun Sie dagegen?

Wir haben schon vor einigen Jahren eine Beschränkung eingeführt. Maximal 30 Prozent der Wagenfläche dürfen für Werbung verwendet werden. Da haben sich nicht alle dran gehalten. Deshalb müssen sich die Teilnehmer in diesem Jahr die Designs ihrer Wagen von uns genehmigen lassen. Außerdem dürfen nur noch Unternehmen mit einem Wagen auftreten, die eine entsprechende Diversitypolitik oder eine Homogruppe innerhalb des Betriebs haben.

INTERVIEW: ANTJE LANG-LENDORFF

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • T
    tanzmaus

    Warum faßt die taz den "Geschäftsführer" des CSD Berlin mit Samthandschuhen an? Bitte tiefergehende Fragen: Warum sieht sich ein Geschäftsführer als politische Instanz, was haben Parteien und Firmen auf einem "Event" zu suchen, der sich auf den Widerstand von trans*lesbischwulen gegen Polizeiwillkür und Unterdrückung bezieht, ist der CSD (zumindest in Berlin und anderen großen deutschen Städten) nicht längst ein lukratives Geschäft, von dem einige ganz gut leben können...

  • H
    Hans

    @Jens Richter:

    Kann im Art. 6 GG nichts erkennen, was gegen die Aussagen von Herrn Kastl spricht. Bitte erläutern.

     

    @KommentatorIn 22.06.2013 14:09 Uhr:

    Benz, schreiben Sie doch unter Ihrem üblichen Kommentarnamen ^_^

     

    Herr Geis, haben Sie es doch noch ins Internet geschafft? Aber ich dachte, dass hat der Teufel erschaffen. Oder bist du es, Erika?

     

    Ewig Gestrige bleiben ewig Gestrige. Nazis, Faschos, etc. sind einfach way past. Wenn Sie auf Diktaturen stehen und vielleicht auch irgendwie den Putin ganz schnuckelig finden, wenn er mal wieder mit nacktem Oberkörper durch die Taiga reitet, dann gibt es im Osten ein duftes Land, wo noch mehr als die Hälfte der Leute (laut Umfragen) wie Sie geistig im Mittelaklter leben, viel Spaß.

  • D
    dobermann

    @ Gegen Schwulenpropaganda

     

    gay lobby? heimliche gay agenda? richterverschwörung? politische manipulation? medienabsprachen?

     

    her mit den belgen, beweisen und fakten !!!

     

    ps.: am besten ziehen immer argumente wie, das vor 30 jahren aber ganz anders entschieden worden ist und das eigentlich sich nichts ändern sollte. weil es MIR so gefällt, hat sich nichts zu verändern. mumien gehören ins museum. dazu lernen ist doch schön.

  • G
    GurkeUndSchurke

    Der CSD eine politisch wirksame Veranstaltung - es ist viel erreicht, wenn hunderttausende Heten friedlich mit uns feiern und nicht "ihh schwul" sagen.

    Man sollte aber nicht bei dem Thema Ehegöffnung aufhören, sondern eben auch das Leben der Lesben Schwulen und Trans in anderen Ländern im Auge behalten.

     

    „Es ist ja nicht leicht, so ein großes Land wie Russland, das auch noch so viel Öl und Gas hat, unter Druck zu setzen“, sagte eine der geladenen osteuropäischen AktivistInnen mit gar nicht mal so leisem Sarkasmus.

    mehr dazu hier:

     

    http://www.siegessaeule.de/newscomments/article/asyl-ohne-wenn-und-aber-fuer-verfolgte-lsbti-asylrecht-muss-wahlkampfthema-werden.html

  • GS
    Gegen Schwulenpropaganda

    Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach klargemacht, daß die eingetragene Lebenspartnerschaft mit der Ehe gleichgestellt werden muss. Allerdings erst als man die "richtigen" Richter einsetzte, die Sachen herauslasen die im Grundgesetz nicht stehen. Das Bundesverfassungsgericht hat ja davor bereits 1957 festgestellt, daß der §175 rechtens ist. Das tat es in der Zeit in der die Verfassunsgsmacher noch lebten. Die hätten sich bestimmt gemeldet wenn sie nicht einverstanden gewesen wären. Man kann die mediale wie politische Macht der Bewegung und der mit ihr auf Gedeih und Verderb verbundenen Homoverbände sehen wenn Schwule die CDU von ihren Umzügen ausschließen. Das kann sich auch wieder ändern.

  • JR
    Jens Richter

    Herr Kastl,

    vielleicht werfen Sie mal einen flüchtigen Blick auf Artikel 6 des Grundgesetzes. Dann hätte sich das meiste Ihrer wirren Aussagen bereits von selbst geklärt.