Christoph Schmidt-Lunau über die Frankfurter Lärmobergrenze: Quadratur des Kreises
Hessens Wirtschaftsminister und Grünen-Frontmann Tarek Al-Wazir weiß aus täglicher Erfahrung, dass Fluglärm an die Nerven geht. Er wohnt im Osten Offenbachs in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens. In seinen Landtagswahlkämpfen hat er als grüner Spitzenkandidat Plakate und Handzettel gegen die neue Landebahn und gegen das dritte Terminal auf dem Flughafen Frankfurt drucken lassen und verteilt.
Das war gestern. Die Landebahn ist inzwischen in Betrieb, das Terminal im Bau. Mit dem Vorschlag einer verbindlichen Lärmobergrenze versucht der Grüne sich nun an der Quadratur des Kreises: Als Wirtschaftsminister kann und will er die Entwicklungsmöglichkeiten des Flughafens nicht abwürgen. Als Grüner hingegen muss er seinen Wählern liefern.
Bislang sind seine Ergebnisse übersichtlich. Die längeren Lärmpausen in der Nacht für jeweils bestimmte Gebiete mögen für die Betroffenen eine Entlastung sein. Objektiv wird dabei aber Lärm nur umverteilt, nicht vermieden. Auch mit einer verbindlichen Lärmobergrenze wird nicht der gegenwärtige Fluglärm beschränkt – sondern nur der, der noch dazukommen könnte. Dass die Lärmzonen im Vergleich zum derzeitigen Stand noch wachsen dürfen, ist mehr als nur ein Schönheitsfehler. Außerdem ist es gut möglich, dass die Luftverkehrswirtschaft Al-Wazir mit Klagen gegen sein Vorgehen einen Strich durch die Rechnung macht.
Ein Flughafen, der als Drehkreuz der internationalen Luftfahrt wachsen will, bleibt mitten in einer dicht besiedelten Region eine Zumutung für die Nachbarn. Der Grüne Al-Wazir muss als Realpolitiker Konflikte moderieren, die andere gegen seinen Widerstand heraufbeschworen haben. Mit der Lärmobergrenze will er jetzt eine Zusage aus dem Mediationsverfahren von 2000 umsetzen, dessen Ergebnis er eigentlich nie akzeptiert hat. Mit Beifall kann er dafür nicht rechnen – weder von der einen noch von der anderen Seite.
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