Christoph Ahlhaus' Abgang: Das Missverständnis

Ex-Bürgermeister Christoph Ahlhaus hängt seine Karriere an den Nagel. Die Partei musste sich offenbar schmutziger Methoden bedienen, um ihn loszuwerden.

Ungemütlicher Abgang: Christoph Ahlhaus Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Geschichte von Christoph Ahlhaus ist die Geschichte eines Missverständnisses. Eines Missverständnisses der Hamburger CDU mit sich selbst, unter das der gescheiterte Bürgermeister gestern einen Schlussstrich gezogen hat, indem er seinen Verzicht auf weitere politische Ambitionen erklärt hat.

Was war passiert? Nach Hamburg kam Ahlhaus als unbeschriebenes Blatt. Die CDU hatte die Stelle des Landesgeschäftsführers ausgeschrieben, nicht gerade ein Karrieresprungbrett. Und den Job bekam Christoph Ahlhaus, ein Jurist aus Heidelberg, ein massiger Typ mit behäbigen Bewegungen, dem niemand auf den ersten Blick höhere Aufgaben zutraute. Doch Ahlhaus brachte es im Schnelldurchlauf durch die Niederungen der Partei zum Vorsitzenden des wichtigen Parteibezirks Nord und zum Innensenator.

Ahlhaus hatte sich in der CDU als Law&Order-Mann profiliert. Sein bulldoggenhaftes Gesicht schien wie gemacht für einen, der den harten Hund geben soll. Und er war auf beruhigende Weise altmodisch – im blauen Clubjacket, brav verheiratet. Er war das Gegenbild zu jener Großstadt-CDU, die Ole von Beust auf liberalen Kurs getrimmt hatte, um sie mehrheitsfähig zu machen. Und in der gelernte Proletarier gemeinsam mit Schwulen und einer, die sich als 68erin bezeichnet, den Ton angaben.

Ahlhaus war dagegen eine Reminiszenz des Bürgertums an seine eigene Vergangenheit. Als die Hamburger CDU sich für das Modellprojekt Schwarz-Grün ein weiteres Stück bewegen musste, war Ahlhaus der fast perfekte Mann, um die rechte Flanke abzusichern und damit die Basis zu beruhigen.

Nur fast perfekt, weil es ihm an einer Qualität mangelte, die in Hamburg hochgehalten wird: Stil. Kaum war Christoph Ahlhaus zum Senator avanciert, erstanden er und seine Frau im Elbvorort Osdorf eine Villa, die weder einem kinderlosen Paar noch einem einfachen Senator angemessen schien und ihn ungewollt in die Schlagzeilen brachte: Die Stadt musste einen Millionenbetrag für Sicherungsmaßnahmen an der Villa und weiteren Immobilien aufbringen.

Als ruchbar wurde, dass Ahlhaus noch höhere Ambitionen hegte, schrieb die taz: „Ahlhaus muss Bürgermeister werden – damit sich die ganzen teuren Einbauten erst richtig lohnen.“ So richtig vorstellen konnte sich das aber niemand. Dieser – sorry – dahergelaufene, hemdsärmelige Provinzler, den man sich zwar auf dem Stuttgarter Weinfest vor dem Hamburger Rathaus vorstellen konnte, keinesfalls aber vor dem Übersee-Club, geschweige denn auf der Christopher-Street-Day-Parade, sollte unser Bürgermeister werden?

Das brave Hamburger Abendblatt ging gnadenlos mit dem potenziellen von Beust-Nachfolger ins Gericht – allerdings nicht mit seinen politischen Positionen, sondern mit seinem Äußeren. Als der „älteste 40-Jährige der Stadt“ wurde er verhöhnt und seine modische Todsünde gegeißelt, seinen üppigen Oberkörper mit unvorteilhaften Querstreifen zu bedecken.

Und so einer sollte mit den Grünen können? Es zeigte sich, dass Ahlhaus eben nicht jener prinzipienfeste Konservative war, für den man ihn gehalten hatte. Er fraß Kreide, bis nur noch die säuselnde Stimme eines Grünen-Flüsterers zu hören war. Er hatte plötzlich Bäume lieb und wollte in Hamburg einen Cluster mit Umwelttechnik-Unternehmen ansiedeln. Von der Wende zu den konservativen Wurzeln der CDU war nichts zu spüren. Ahlhaus – ein Fake?

Echt war des Neu-Bürgermeisters Freude am Amt. Der steife Bürokrat genoss plötzlich Auftritte auf dem gesellschaftlichen Parkett, und Simone an seiner Seite genoss sie noch mehr. Die Lokalpresse hatte ihre Freude daran, endlich wieder eine First Lady zu haben, nach den langen, dürren Jahren, in denen Ole von Beust einfach kein Privatleben zu haben schien.

Entsetzen machte sich in der Hamburger CDU breit, als das Paar in einem Luxushotel in royaler Pose für die Bunte posierte. Ahlhaus musste öffentliche Selbstkritik üben. Und auch der im Wahlkampf herumposaunte Kinderwunsch der beiden kam eher als weitere Peinlichkeit an, denn als Hinwendung zum konservativen Familienbild. Die taz spottete in ihrem vorauseilenden Jahresrückblick über ein amorphes Riesen-Ahlhaus-Baby im Ringelpullover.

Zeitweilig schien es, als hätten die Grünen weniger Probleme mit Ahlhaus als die CDU selbst. Sie ließen die schwarz-grüne Koalition denn auch nicht an inhaltlichen Dollpunkten platzen, sondern als die Umfragen für sie günstig standen.

Stilvoll-hanseatisch wäre es gewesen, wenn Ahlhaus nach der folgenden Wahlniederlage seine Parteiämter aufgegeben hätte. Mit 21,9 Prozent war die Hamburger CDU weit unter die Werte vor der Ära von Beust gestürzt. Doch Ahlhaus klebte noch ein gutes Jahr am Sessel. Noch an diesem Mittwochabend wies er trotzig die „Alleinschuld-These Ahlhaus“ zurück. Dass er seinen Bezirks-Granden dennoch den Rückzug vom Kreisvorsitz und den Verzicht auf eine Bundestagskandidatur mitteilte, begründet der gescheiterte Bürgermeister mit den Ermittlungen der Justiz gegen ihn.

Es geht mal wieder um seine Villa. Der Verdacht der Staatsanwaltschaft: Ahlhaus könnte beim Kauf eine niedrige Maklercourtage ausgehandelt und den Eignern der Maklerfirma, die auch im Spielbanken-Gewerbe tätig sind, im Gegenzug eine für sie vorteilhafte Änderung des Spielbanken-Gesetzes in Aussicht gestellt haben.

Ahlhaus bestreitet das – und ist überzeugt, dass die Anzeige von innerparteilichen Rivalen lanciert wurde. Ein weiteres Mal bemühte Ahlhaus die Familie, um seinen Rücktritt zu erklären: Er wolle nicht, dass seine Tochter mit einem Vater aufwächst, der im Zentrum einer solchen Schmutzkampagne stehe. Das Ahlhaus-Baby hat also mittlerweile das Licht der Welt erblickt.

Dass die CDU Ahlhaus nachhaltig loswerden will, ist verständlich; die Methoden sind unschön, aber nicht unüblich. Ahlhaus hat sich für die Partei als doppeltes Missverständnis entpuppt: Nicht nur, dass er nicht der standhafte Konservative war, für den sie ihn gehalten hatten – sie brauchen auch gar keinen mehr. Die Partei ist unter Parteichef Marcus Weinberg und Fraktionschef Dietrich Wersich ohne lange Diadochenkämpfe auf von Beusts modernen, liberalen Kurs zurückgeschwenkt. Ahlhaus war ein Ausrutscher, ein Rückfall, der gescheiterte Versuch, an eine Parteiseele zu appellieren, die es so gar nicht mehr gibt – und an eine Wählerschaft, die es in Hamburg nie gegeben hat.

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