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Christlicher Folk aus LondonJesus findet alles gut

Die Songinhalte der Band Mumford & Sons sind rein wie die eines christlichen Knabenchors. Es ist Musik für die weiße, konservative, heterosexuelle Mittelschicht.

Mumford & Sons bei ihrem ersten Deutschlandkonzert in München im März 2013. Bild: dpa

Der Konsens zwischen Indierock und Mainstream hat einen Namen: Mumford & Sons. Die vier Londoner haben eine Erfolgsgeschichte wie keine andere Band mit vergleichbarer Musik. Ihre Auftritte begannen klischeehaft in kleinen Pubs in ihrer Heimat, heute füllen sie ganze Stadien. Am Dienstagabend spielten sie im ausverkauften Berliner Velodrom. Obwohl Folk bei Jugendlichen unüblich ist, besteht ein Großteil ihrer Fangemeinde aus Teenagern und Twentysomethings.

Besonders auf textlicher Ebene ist das erstaunlich. Liest man sich nämlich ihre Lyrics durch, so kommt man sich vor, als blätterte man durch das Liederbuch eines christlichen Jugendchors. Besungen werden traditionelle Werte wie Hoffnung, Glaube, Reue, Schicksal, Selbstfindung, Schmerz, Ursprung und natürlich die erlösende Liebe.

Diese Schlagwörter fallen bereits auf dem Debütalbum „Sigh No More“ – jawohl, mit Shakespeare-Referenz im Titel – auf. Biblische Bezüge kommen nicht nur unterschwellig in Hits wie „The Cave“ vor („You can understand dependence / When you know the maker’s hand“). Auf der zweiten Platte, „Babel“, sind sie expliziter. In „Below My Feet“ heißt es „I was told by Jesus all was well / So all must be well“ – auf Jesus ist Verlass, da ist man zuversichtlich.

Der Ursprung spielt eine markante Rolle, biologisch wie geografisch. In „After the storm“ nimmt das patriotische Züge an, man lebt für sein Land und fürchtet sich vor Veränderungen. In diesem Weltbild bleibt die Selbstverständlichkeit der Fortpflanzung nicht aus. Während die Forderung nach der Homo-Ehe selbst in der Mitte der Gesellschaft Platz findet, feiert man immer noch Lieder über die klassische Familie.

Knie nieder und begreife deine Herkunft!

Offensichtlich religiöse Referenzen sind auch das Sündigen, die Vergebung, die Reinheit und das Auserwähltsein. Für Krisenzeiten lautet der ihr Rat: Knie nieder, reflektiere und begreife deine Herkunft! Klingt wie eine Gebetsanleitung. Aber eben nur, wenn man genau hinhört. Mit ihren Texten erzeugt die Band viel Pathos. Jeder kann sie irgendwie auf sich selbst beziehen, somit ist die Identifikation auch bei unreligiösen Fans sehr hoch.

Hoffnung und Liebe werden auch frei von Konfession idealisiert. Wer schon mal Liebeskummer hatte, findet sich in der rhetorischen Frage „Where was my fault in loving you with my whole heart?“ wunderbar wieder. Und überhaupt geht es zurück zur Basis, zum Menschen und der Natur, fort vom reizüberfluteten Alltag.

Einzelne Zeilen eignen sich perfekt als Postkarten- und Kalendersprüche, zum Beispiel „But I can’t move the mountains for you“ oder „Plant your hope with good seeds“. Klingt poetisch und mit einer kleinen Illustration auf weißem Papier hat es etwas Persönliches, wenn man es, sagen wir, zusammen mit einer Zimmerpflanze verschenkt.

Auf dem Berliner Konzert bestätigt ein Blick ins Publikum sämtliche Vorurteile. Bürgerliche, teilweise szenig angehauchte, aber stets ordentlich gekleidete Deutsche im Alter von 14 bis 60 versammeln sich in der ausverkauften Halle, gern auch als Paar. Mit ihren Bierbechern und Brezeln könnten sie genauso gut für Pur oder Herbert Grönemeyer anstehen.

Heteronormativität und rückschrittlich

Geklatscht wird über den Köpfen, die Handylichter schweben während der Balladen in der Luft, Merchandise wird fleißig gekauft und sofort angezogen. Bei schnelleren Hits hüpften Tochter und Mutter mit frecher Kurzhaarfrisur im Takt, die Texte werden mit voller Inbrunst mitgesungen. Mumford & Sons sind vor allem eins: Musik für die weiße, konservative, heterosexuelle Mittelschicht.

Wenn man lange genug nach ihnen sucht, finden sich immer gute Argumente für eine Band, notfalls mithilfe von Euphemismen. Von den Mainstreammedien wird die Band in den Himmel gelobt. Anstatt ihr Heteronormativität und Rückschrittlichkeit anzukreiden, hebt man ihr „Traditionsbewusstsein“ und die „euphoristischste Bodenständigkeit“ positiv hervor. „Hauptsache, Hoffnung macht kaputte Herzen heil“, so die FAZ. Kritische Fragen? Fehlanzeige. Solange sie der breiten Masse gefällt, sie in Rausch versetzt und ihr Missmut im Banjosturm versinkt, darf und soll man über den hohen Spießerfaktor der Musik hinwegsehen.

Am 4. April spielen Mumford & Sons in der Sporthalle Hamburg. Danach touren sie weiter durch Europa und die USA.

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10 Kommentare

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  • K
    Kahlan

    Alles, was sich nicht bewährt hat ist heutzutage automatisch richtig und cool. Wer nicht jeden neuen Trend gleich gutheißt oder mitmacht ist dumm, spießig, intolerant. Ganz groß, echt. Da freu ich mich richtig auf die Zukunft.

    Der Artikel ist für mich ganz schlecht. Wenn das den Anspruch der taz verkörpert - nein danke!

  • H
    harry

    war es nicht andy warhol der sinngemäß sagte, es gebe nichts spießigeres, als den anspruch zu haben, nicht spießig zu sein?

  • T
    Typ

    Scheiß Band und idiotische Fans, die Kommentare beweisens, na ja mit Mutti aufs Konzert nach dem Motto "Stumpf ist Trumpf", was gibts schöneres

  • D
    Durchschnittsmitteleuropäer

    Also ich war auf dem genannten Konzert und leicht zu erkennen, denn ich war selbstverständlich ordentlich gekleidet und bin zwischen 14 und 60. Bisher fand ich den Abend auch gar nich so übel, aber jetzt (nachdem ich diesen mitreißenden und völlig wertfreien Artikel gelesen habe)fühl ich mich doch arg schuldig, weil ich hetero bin und aus einer klassischen deutschen Durchschnittsfamilie komme!

    Gott sei dank hab ich kein Handyfilmchen gedreht und bin auch nich gläubig, dass würd ich jetzt echt nich mehr packen!

    Ach ja und wo gab's denn eigentlich die im Artikel erwähnten Brezeln, weil ich die zugegebenermaßen den ganzen Abend über verzweifelt gesucht habe?!

    Hätt natürlich auch Couscous, oder Baklava gegessen - nicht das ich hier am Ende noch als kulinarischer Rassist rüberkomme ;)

    Das war's dann soweit auch schon von mir, möchte mich nur noch kurz "Chris" Bitte anschließen und ebenfalls um Konzerttipps eurerseits bitten, die mich in Kontakt mit der (wenn möglich farbigen) Lesben/Schwulen/Transsexuellenszene bringen, damit ich wieder ruhig schlafen kann!

    Meine Mumford & Sons Cd's werde ich selbstverständlich unverzüglich entsorgen und auch nie wieder über'm Kopf in die Hände klatschen, großes Indianerehrenwort!!!

  • RA
    ralf ansorge

    lieber autor,konservativ bin ich eher nicht,auch nicht religiös. aber all die anderen fehler habe ich auch.meines wissens war die letzten 1000 jahre kein farbiger unter meinen ahnen.war mir bisher egal,aber ist scheinbar schon ein makel.ich bin ein mann der nur auf frauen steht und mit einer frau ein kind großgezogen hat,könnte sein daß dieses auch eher auf das andere geschlecht steht.ich war auch schon bei grönemeyer und anderen weißen,manchmal sogar deutschen konsenskünstlern obwohl ich wußte daß er/sie nicht schwul sind und habe dabei bier aus bechern getrunken und über dem kopf geklatscht,bei der weißen sängerin pink sogar mit meiner tochter zusammen.da habe ich aber bei Ihnen pluspunkte gesammelt,denn die erste drei reihen im hamburger stadtpark waren in lesbischer hand.entlastet mich das jetzt etwas?

    ich bin auch durchaus heimatverbunden und empfinde das heutige deutschland nicht als das schlimmste aller länder auch wenn ich es mir vor der geburt nicht ausgesucht hätte wenn sowas ginge,eher was skandinavisches.dort sind aber viele leute noch weißer,sogar blond,also auch ein fehler.helfen Sie mir lieber autor von meinem irrweg loszukommen.

  • D
    dan

    Hallo Hengame!

    Deinen Artikel...

     

    ...den check ich leider nicht.

    Also dürfen nur noch vegan lebende lesbischwultrans Menschen mit Migrationshintergrund Musik für eben dasselbe Publikum machen, ohne dafür kritisiert zu werden?

     

    Schreib doch ganz einfach, dass die Jungs aus der Sicht ihrer Zielgruppe ganz nette Lala machen und

    dir, als Mensch von weltweiter Urbanität, der Monkey Safari- Remix von "little lion man" sowieso am meisten zusagt.

     

    Ich habe leider absolut kein Verständnis für deinen Standpunkt.

    Für mich liest sich der Artikel wie ein Manifest gegen so ungefähr alles, was du als "weiß/ konservativ" und damit "schlecht/ reaktionär" bewertest.

    Da hättest du die Keule vielleicht besser an anderer Stelle herausgeholt.

     

    Sind diese Menschen Rassisten, weil sie ein "weißes" Publikum anziehen?

    Soll es bei ihren Konzerten nurnoch Kartenverkauf an Ü50 mit Migrationshintergrund geben?

    Sind diese Menschen homophob, weil sie Heten sind und deshalb über heterosexuelle Beziehungen singen?

    Wenn jemand nicht deine Werte vertritt, macht es denjenigen nicht zu einem schlechten Menschen, er kann durchaus ein guter Demokrat sein und dir dein Leben gönnen.

     

    Du wirfst da irgendwie einiges durcheinander.

     

    Irgendwie schräg.

     

    Über eine Antwort freue ich mich

  • B
    Bono

    "Einzelne Zeilen eignen sich perfekt als Postkarten- und Kalendersprüche." Wie schön, dass die Autorin nur textfreien Dubstep hört.

  • B
    bempo

    Jedem das Seine... Ist denn alles zwangsweise kacke, wenn nicht schwul oder zumindest gegen die klassische Familie? Versteht mich nicht falsch, nichts gegen Homoehe oder neue Strömungen in dieser vermieften Gesellschaft. Aber wer Toleranz fordert, sollte auch bereit sein, selbst tolerant anderen Lebenseinstellungen gegenüber zu sein. Denn: Jeder hat Recht... und vor allem das Recht, sihc selbst zu verwirklichen! Also, lieber (auf Deine Weise total spießiger) Kommentator, bitte nicht so verkrampft engstirnig durchs Leben gehen. Etwas mehr Gelassenheit anderen gegenüber würde so manchem "Freak" gut zu Gesichte stehen. Toleranz, die Du einforderst, sieht anders aus... Fange damit bei Dir an, Mann... und ziehe Dir nicht so Scheiß-Konzerte rein!

  • A
    asdas

    Über den extrem hohen Spießerfaktor dieses Artikels lässt sich dafür leider nicht so leicht hinwegsehen!

  • C
    Chris

    Oh Gott, die Fans klatschen über den Köpfen, und Handyfilmchen drehen sie auch. Und als Paar kommen sie ins Konzert, igitt! Wahrscheinlich sogar als heterosexuelles Paar, das geht natürlich gar nicht. Wenn sie wenigstens Analverkehr hätten nach dem Konzert, aber nein, die ganze heteronormative Propaganda hat das Publikum ja komplett weichgespült. Bin froh, dass ich mir diesen üblen Mainstreamscheiss nicht antun musste! Ich bin selbst leider weiss und heterosexuell, wofür ich mich sehr schäme, und dazu auch noch Angehöriger der Mittelschicht, aber daran kann ich ja wenigstens was ändern. Dazu zwei Fragen: sollte ich mehr Richtung Ober- oder mehr Richtung Unterschicht gehen? Und habt ihr noch Konzerttipps, die mich in Kontakt mit der (wenn möglich farbigen) Lesben/Schwulen/Transsexuellenszene bringen könnten? Danke!