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Christine Haderthauer über Betreuungsgeld"Die Krippe ist kein Pflichtprogramm"

Die Babypause ist kein Karrierekiller, findet die bayerische Arbeitsministerin Haderthauer (CSU). Und das Betreuungsgeld habe nichts mit Erwerbstätigkeit zu tun.

"Einseitige Lenkung": Haderthauer über staatlich geförderte Kinderkrippen. Bild: dpa
Marlene Halser
Interview von Marlene Halser

taz: Frau Haderthauer, ärgert es Sie, wenn jemand Herdprämie statt Betreuungsgeld sagt?

Christine Haderthauer: Natürlich, weil es völlig unzutreffend ist. Das Betreuungsgeld schränkt die Erwerbstätigkeit nicht ein. Es setzt nur voraus, dass der staatlich geförderte Krippenplatz nicht in Anspruch genommen wird.

Wer kümmert sich dann ums Kind?

Das soll jede Familie nach ihren Bedürfnissen organisieren können. Ob mit Kinderfrau, Oma und Opa oder anders privat.

Für die EU ist das Betreuungsgeld "kontraproduktiv für Erwerbsbeteiligung von Frauen". Irren sich alle Kritiker?

Bild: ap
Im Interview: CHRISTINE HADERTHAUER

49, CSU, ist seit Oktober 2008 bayerische Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. Haderthauer ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Ja, das ist pure Ideologie. Je mehr Betreuungsalternativen es gibt, desto eher erfolgt der Wiedereinstieg in den Beruf. 150 Euro halten niemanden davon ab, wieder arbeiten zu gehen.

Wozu braucht man dann das Betreuungsgeld?

Um eine sonst eintretende einseitige Lenkung zu neutralisieren. Investiert man nur in Krippenplätze und nicht in Alternativen, entsteht eine staatliche Bevorzugung der Krippe und damit eine Lenkung von Familien. Elternverantwortung muss Vorrang haben.

Die Babypause gilt für Frauen als Karrierekiller Nummer eins. Ist es nicht sinnvoll, dass der Staat gegensteuert?

Nicht die Babypause ist der Karrierekiller, sondern wie es danach weiter geht. Die größte Ressourcenverschwendung ist es, dass Frauen in Deutschland zu lange in Teilzeit arbeiten und in Teilzeit meist unter ihrer Qualifikation eingesetzt werden. Die Wirtschaft muss Teilzeitarbeit in Führungspositionen ermöglichen. Ob eine Frau ein oder drei Jahre weg war, ist dagegen zweitrangig. Wir müssen lernen, dass es auf die Qualität der Arbeit ankommt und nicht darauf, wie lange jemand seinen Bürostuhl auf Körpertemperatur hält.

2008 wurde das Unterhaltsrecht neu geregelt. Frauen müssen ihre Karriere im Blick haben, um nicht im Scheidungsfall in finanzielle Not zu geraten. Belohnt das Betreuungsgeld etwas, was an andere Stelle bestraft wird?

Nein, weil das Betreuungsgeld nichts mit Erwerbstätigkeit zu tun hat. Unabhängig davon, dass die meisten Mütter heute erwerbstätig sind, das war auch ich mein Leben lang: Das neue Unterhaltsrecht habe ich immer schon für falsch gehalten, weil es einigen Lebensentwürfen nachträglich den Boden entzieht.

Sind das nicht widersprüchliche Signale?

Nein, im Gegenteil: Es gilt die Vielfalt zu fördern. Einseitige Lenkung macht nicht gerade Lust auf Familie. Das Grundgesetz schützt nicht umsonst unsere Eltern vor staatlicher Bevormundung. Die Krippe ist eine familienergänzende Einrichtung und muss nicht zum Pflichtprogramm für moderne Kinder gehören.

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13 Kommentare

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  • G
    Gießkanne

    Theaterbesuch ist kein Pflichtprogramm. Um einseitige Lenkung zu vermeiden, sollte die Union ein "Theaterverzichtsgeld" ausloben für die, die sich verbindlich verpflichten, nicht ins städtische Theater zu gehen.

    Grünanlagenbesuch ist auch kein Pflichtprogrammm.Um einseitige Lenkung zu vermeiden, sollte die Union ein "Grünanlagenverzichtsgeld" ausloben für die, die sich verbindlich verpflichten, nicht in städtische Grünanlagen zu gehen.

    Dasselbe gilt für Schwimmbäder und städt. Sportanlagen. Und für Museen. Und für Stadtbüchereien. Und entsprechende Landeseinrichtungen. Hört sich "Realschul-Verzichtsgeld" nicht verlockend an?

  • K
    Klinger

    von Stefan

     

    Ich finde das Betreuungsgeld eine sehr soziale Leistung und ich finde es eine Schande das man in Deutschland Frau Haderthauer so attackiert das ist unterstes Schubblade und ich muss sagen das es toll ist das Sie sich trotz allem so dafür eingesetzt hat das zeigt das sie eine echte Spitzen Politikerin schade das es solche Politiker nur bei der CSU gibt wo sich in erster Line für die Soziale belange einsetzt

  • C
    Chrimafe

    Ich habe zum Thema Betreuungsgeld eine (vielleicht)neue Idee:

    Damit die Rente gesichert ist gibt es Rentenbeiträge,

    damit die Erziehung der Kinder gesichert wird,

    kann ein "Erziehungsbeitrag" von allen Verdienern erhoben werden.

    Die Erziehung der Kinder ist ja eine für das Fortbestehen der Gesellschaft notwendige Aufgabe. Dieser Erziehungsbeitrag sinkt auf die Hälfte z.B. bei einem Kind bei 2 Kindern fällt er weg und bei mehr Kindern bekommen die Eltern etwas.

    Das kann mit einem Gutscheinmodell geschehen, damit das Geld nicht zweckentfremdet wird. -Ich wohne in Berlin Kreuzberg.- In Berlin gibt es ein Gutscheinmodell für den Besuch der Kitas, was nach meinem Wissen gut funktioniert. Wie die Eltern die Gutscheine für ihre Kinder einsetzen, kann geregelt werden - ob für die Betreung in einer Kita oder für eine andere qualifizierte Betreuung.

    Das Totschlagsargument, dann sitzen die Kinder aus prekären Milieus nur vor dem Fernseher, wird durch die Gutscheine entkräftet.

     

    Chrimafe

  • M
    Michael

    Bei dem Betreuungsgeld tun sich wieder ideologische Gräben auf. Wer selbst Kinder hat, weiß wie sehr Kinder gerade unter drei Jahren eine stabile Bindung zu liebevollen Bezugspersonen brauchen. Das müssen nicht zwangsläufig die Eltern sein, das können auch beispielsweise Großeltern sein. Die Wirtschaft und das Zusammenleben sollten so organisiert sein, dass sie nicht nur den Bedürfnissen von Unternehmen und Arbeitgebern gerecht werden, sondern von allen Menschen: Männern, Frauen, Kindern, Alten usw. Der massive Ausbau von und die einseitige Fokus auf Krippen verhindert oft den Blick auf das Wesentliche, und das sind nunmal die Kinder. Der australisch-englische Psychologe Steve Biddulph spricht sich vehement gegen eine Betreuung von unter Dreijährigen durch Krippen aus. Die oben angeführten Beispiele der anderen User scheinen ihm Recht zu geben.

  • S
    sonja

    Irgendwie verstehe ich nicht ganz, dass die Diskussion ums Betreuungsgeld sich immer nur um arbeiten oder zu Hause bleiben dreht. Denn wenns darum geht, dass die Mutter schnellstmöglichst wieder arbeiten geht, bringen doch diese Hunderundpaarzerquetschte Euros nicht viel. Diese Mütter brauchen einen vernünftigen Betreuungsplatz, nichts anderes.

     

    Dieses Geld ist aber interessant für Mütter (oder Väter), die sowieso zu Hause bleiben, z.B. wegen Arbeitslosigkeit. Und ich würde behaupten, dass gerade hier die Familien sind, deren Kinder eine möglichst frühzeitige Betreuung gut gebrauchen könnten, weil das häusliche Umfeld nicht allzu viel Anregung bietet. Auch wenn sich das blöd und vorurteilsbeladen anhört: In der Realität sind das oft die sogenannten "Bildungsfernen" Familien. Und genau hier kann sich eine frühzeitige Förderung günstig auswirken, was aber nur möglich ist, wenn genug Geld in diesen Bereich investiert wird. Was ja allerdings unsere liebe gute, kindische, Frau Familienministerin nicht anficht. Was interessiert die das oder auch Frau Haderthauer. Deren Klientel ist doch eher das wohlhabende. Oder?

     

    Also wenns wirklich um "Wahlfreiheit" geht, die wäre doch wohl nur gegeben, wenn das ganze System zugunsten der Familien, Männer und Frauen mit Kindern umgestellt wird. Und das ist hier noch lange nicht zu sehen.

  • A
    Aha

    Liebe Leute, wer sagt denn, dass jede Kita "gut" ist. Die erste Kita meines Sohnes war grottenschlecht. Beide Betreuungspersonen ohne Fachausbildung, Eine davon aber wenigstens in Umschulung ( von Dekorateurin auf Erzieherin). Meistens in der Ecke quatschend, Kaffeetasse in der einen, Fluppe in der anderen Hand.

    Den Kleinen morgens mit Sprüchen wie "Alle Männer sind Schweine" begüsst.

    Meldepflichtige Krankheiten im Kindergarten wurden verschwiegen,mit der Begründung, man wolle ja nicht, dass die Mütter vorsichtshalber nicht arbeiten gingen. Kinder die hochfiebernd auf der Matrazze lagen oder halbohnmächtig vom Stuhl rutschten haben keinen interessiert.

    Viele Mütter mussten tatsächlich aus finanzieller Not arbeiten gehen und diese Zustände akzeptieren.

    Ich war heilfroh, dass ich die Zeit und die finanziellen Mittel hatte, meinen Sohn da rausholen zu können und die halbjährige Wartezeit auf einen Platz in einer vernünftig geführten Einrichtung, zuhause überbrücken zu können. DAS verstehe ich unter Wahlfreiheit.

  • C
    Celia

    @Wolfgang: natürlich sollte alles Erdenkliche für unsere Kinder (=unsere Zukunft) getan werden. Aber wer sagt denn, dass sie in einer Krippe besser aufgehoben sind, als bei den Großeltern, einer Tagesmutter (die evtl. noch weitere Kinder betreut), oder einem eigenen Elternteil (bis sie ins Kindergartenalter kommen)?

    @Kaufmann: ja, Montessori, Pestalozzi, oder Waldorf bietet den Kindern natürlich ganz viel. Doch muss das zwangsläufig vor dem dritten Lebensjahr beginnen?

    @Alexander: man sollte vielleicht schon noch unterscheiden zwischen dem Wunsch nach einer Vielfalt von Lebensmodellen (was staatliche Unterstützung erfahren sollte) und gesundheits- bzw. umweltschädlichen Maßnahmen/Technologien, für die der Staat Alternativen fördert.

    @Jan: natürlich gibt es keine Kita-Pflicht. Die Frage ist aber, ob eine Familie es sich ohne Betreuungsgeld leisten kann, eine öffentliche Kita nicht in Anspruch zu nehmen, wenn sie dies aus bestimmten Gründen für ihr Kind nicht möchte, aber beide Partner aus finanziellen Gründen auch (zumindest Teilzeit) arbeiten müssen. Dann bleibt ja nur noch die Möglichkeit einer privaten Fremdbetreuung, was eben kostet.

    Ich denke auch, dass es uns als Gesellschaft um die Wahlfreiheit gehen sollte, darum, dass jeder gemäß seinen Vorstellungen von Familie leben kann.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Armutszeugnis

    Die Aussagen der Bayrischen Arbeitsministrerin Haderthauer kann man nur als ei Armutszeugnis geistiger Potenz bezeichnen.Kinder sind unsewre Zukunft und für sie saollte alles erdenkliche getan werden.Dies nicht nur aus pädagogischer,sondern auch aus christlichen Gesichtspunkten.

  • V
    vic

    Jaja. Politik ist kein Ponyhof.

  • K
    Kaufmann

    Wer hat diese Frau ins Amt gehoben.

     

    Ich bin entsetzt von diesen Aussagen. Das ist haarstreubend, was diese Frau in so kurzer Zeit von sich gibt. Dafür würde ich mich als Regierungspartei schämen.

     

    Jeder, der eine Kinderkrippe oder einen Kindergarten besucht, weiß, was dort den Kindern an Sozialverhalten vermittelt wird. Sie möge Fröbel oder Pestalozzi oder Montessori lesen, dann versteht sie vielleicht. Mit wenig Mitteln prekäre Betreuungs- und Beschäftigungswege zu schaffen ist pädagogisch und arbeitsmarktpolitisch falsch. Es hilft nur den Ausbeutern.

  • W
    www

    "Wir müssen lernen, dass es auf die Qualität der Arbeit ankommt und nicht darauf, wie lange jemand seinen Bürostuhl auf Körpertemperatur hält. """

     

     

    Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Es ist mir ein Rätsel, wieso in DE selbst Die Linken immer darauf plädieren, dass alle Frauen unbedingt Vollzeit arbeiten sollen.

     

    das soll immer Wahlfreiheit sein! Und seinen wir mal ehrlich: wer damit argumentiert, dass dann Altersarmut von Frauen vermieden wird: Hätte der Staat ein ernsthaftes Interesse daran, derartiges zu vermeiden, dann könnte er das auch umsetzen ohne das alle welt bei sinkendem Arbeitsvolumen Vollzeit arbeitet.

     

    man denke nur an das Rentensystem der Niederlande, wo das hervorragend funktioniert - auch teilzeitarbeitende Mütter sind dort bestens vor Altersarmut geschützt mit einer Rente, die von Vollzeiterwerbstätigkeit entkoppelt wurde.

     

    1100 EUR Nettorente zzgl. Betriebsrenten etc... das ist viel mehr als die GruSi in DE für Frauen resp. Geringverdiener.

     

    gäbe es ein ernsthaftes Interesse daran, statt Lobbyintereessen zu bedienen, die Altersarmut zu verringern, so wäre das auch möglich.

     

    Übrigens sinkt das Arbeitsvolumen seit den 1960er Jahren -- immerncoh! 30 Std.-Woche wäre längst umsetzbar. Die Niederlande haben mit ihrer entkoppelten Rente die höchste Teilzeitquote Europas - bei beiderlei Geschlecht.

  • A
    Alexander

    Mit der Argumentation

     

    "Investiert man nur in Krippenplätze und nicht in Alternativen, entsteht eine staatliche Bevorzugung der Krippe und damit eine Lenkung von Familien. Elternverantwortung muss Vorrang haben."

     

    kann bzw. müsste man jeden Unsinn fördern.

     

    Wir subventionieren Atomstrom, weil ...

     

    "Investiert man nur in umweltfreundliche Energie und nicht in Alternativen, entsteht eine staatliche Bevorzugung der umweltfreundlichen Energien und damit eine Lenkung von Verbrauchen. Verbraucherverantwortung muss Vorrang haben."

     

    Wir subventionieren Tabak, weil ...

     

    "Investiert man nur in Aktionen zur Verminderung des Tabakkonsums und nicht in Alternativen, entsteht eine staatliche Benachteiligung des Tabakrauchens und damit eine Lenkung von Verbrauchern. Verbraucherverantwortung muss Vorrang haben."

     

    Huch!

  • J
    Jan

    Tut mir Leid, ich verstehe es nicht. Warum sind öffentliche Kitas eine "einseitige Lenkung" der Eltern? Es gibt doch keine Kita-Pflicht. Kitas sind ein Angebot. Den einzigen Sinn würde das Betreuungsgeld machen, wenn damit Randzeiten-Angebote gefördert werden könnten, von mir aus auch private. Aber diejenigen, die das Randzeitenproblem haben haben ihr Kind in den Kernzeiten ja in der Kita - und bekommen das Geld gar nicht. Egal, ich höre auch darüber nachzudenken. Haderthauer tut es ja auch nicht. :-)