Christian Wulffs Kreditaffäre: Kämpfen um die eigenen Leute
Das Verständnis für Christian Wulff in der Union schwindet, aus der FDP wird er offen angegriffen. Er verteidigt sich juristisch. Jetzt kommt der Ältestenrat Niedersachsens.
BERLIN taz | Seine Weihnachtsansprache hat Bundespräsident Christian Wulff bereits im Kasten. Am Wochenende, so hört man in Berlin, hat sich Wulff im Schloss Bellevue hingesetzt und einige besinnliche Worte zum Weihnachtsfest gefunden.
Parallel häuften sich um ihn herum die Meldungen, die von ihm ganz andere Dinge als Besinnlichkeit forderten. Nämlich Aufklärung in der Affäre um seine Nähe zu Unternehmen. Und eine Antwort auf die Frage, von wem wirklich der Kredit stammte, mit dem er seinen Hausbau finanziert hat.
Der Bundespräsident ist unter Druck, sein Amt in Berlin ist nervös. Offizielle Presseanfragen werden an die Anwälte Wulffs weitergeleitet, man schweigt. Doch die Affäre ist längst kein rein juristischer Fall mehr. Denn der Druck auf Wulff steigt auch in den eigenen Reihen. "Der Fall muss vollständig aufgeklärt werden", sagt der baden-württembergische CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl, "es muss alles auf den Tisch."
Noch am Morgen haben Wulffs Anwälte die Offensive geprobt. Sie haben Einsicht in den umstrittenen Kreditvertrag gewährt. Wenig überraschend ging daraus hervor, dass Edith Geerkens die offizielle Kreditgeberin ist. Doch im Spiegel sagt ihr Mann Egon Geerkens, dass er der eigentlich Verantwortliche bei dem Geschäft war. Das hat Wulff vor dem Niedersächsischen Landtag verneint.
Wachsendes Unverständnis
Zwar hat sich Wulff in der vergangenen Woche mehrfach verteidigt, doch in der Union wächst das Unverständnis. Offen wird das selten geäußert - es hat ein für Wulff bedrohliches Schweigen über die Affäre eingesetzt. Hinter vorgehaltener Hand wird die Kritik klar formuliert. Es geht dabei um den Kredit und um die Unternehmernähe Wulffs, der zwischen 2003 und 2010 sechsmal Urlaub in den Ferienhäusern befreundeter Unternehmer machte.
"Man kann sich nicht permanent zu Luxusurlauben einladen lassen", sagt einer aus der Union. Es sei "ein Unterschied, ob das einmal passiert oder sechsmal", ein anderer.
Die Forderung: Wulff müsse nun eine Pressekonferenz geben, um alle Vorwürfe aus dem Weg zu räumen. "Nicht in Guttenbergscher Manier und nur Stück für Stück", heißt es dann.
In der Union steigt die Frustration darüber, dass der Bundespräsident "bis zum Verbiegen" verteidigt wird und wirkliche Aufklärung als Gegenleistung ausbleibt. Er könne nun nicht mehr erwarten, dass man sich weiter vor ihn stelle, heißt es. "Der Bundespräsident leistet hervorragende Arbeit", sagte am Montag Kanzlerin Angela Merkel. Eine dünne Verteidigung.
Jetzt kommt der Ältestenrat
Offene Angriffe auf Wulff kommen aus der FDP. Der Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter war der Erste, der am Wochenende den Rücktritt nahelegte. Am Montag folgten Landtagsabgeordnete.
Der Dienstag wird für Wulff ein wichtiger Tag. Dann befasst sich der Ältestenrat im Niedersächsischen Landtag mit der Aussage Wulffs aus dem Jahr 2010, als er auf eine Anfrage der Grünen sagte, es gäbe keine Geschäftsbeziehung zu Egon Geerkens. Wenn Wulff eine Täuschung des Parlaments nachgewiesen wird, könnte es eng für ihn werden.
Für den Fall der Fälle wird in Unionskreisen schon darüber nachgedacht, wie ein Nachfolger gefunden werden könne. Wegen der Wahlniederlagen bei den letzten Landtagswahlen ist die Mehrheit in der Bundesversammlung auf etwa 4 Stimmen geschmolzen.
Deshalb wird schon über eine "große Koalition" in der Bundesversammlung nachgedacht. Man könne sich einen gemeinsamen Kandidaten mit SPD und Grünen vorstellen, heißt es da, "in Zeiten der Eurokrise wird ohnehin viel überparteiliche Politik gemacht".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind