Christian Rath über das Chaos am Münchener Flughafen: Überwachung schafft Fehlalarme
Was für ein ärgerlicher Start in den Urlaub. Das gesamte Terminal 2 am Münchener Flughafen wurde geräumt, 200 Flüge wurden gecancelt, Tausende Reisende können erst Stunden oder Tage später reisen. Und das alles nur, weil eine Frau nach einer Panne unkontrolliert in den Sicherheitsbereich des Flughafens gelangte. Am Ende zeigt sich: Die Frau war harmlos, aber der Aufwand, um das festzustellen, war gewaltig. Im Überwachungs- und Kontrollstaat werden solche Großunannehmlichkeiten eher zunehmen.
Als „falsch positive“ Treffer bezeichnet man bisher vor allem, wenn jemand bei einer Kontrolle fälschlicherweise als gefährlich eingestuft wird: weil er einer gefährlichen Person ähnlich sieht, weil sein Name verdächtig klingt oder weil er im System falsch geschrieben wurde. Es gibt aber auch die falsch positiven Situationen: wenn etwa ein harmloser Gegenstand herrenlos herumsteht oder wenn eine harmlose Reisende (wie in München) nicht kontrolliert wird, obwohl lückenlose Kontrollen vorgesehen sind.
Falls Polizei oder Security dann falsch oder zu spät reagieren (wie jetzt in München) oder wenn erst Sprengstoffspezialisten geholt werden müssen, um einen verdächtigen Koffer zu öffnen, dann gibt es schnell Großalarm. Dann muss die Polizei gleich das ganze Terminal räumen, den ganzen Bahnhof oder sogar eine ganze Innnenstadt. Wenn es um potenzielle Anschläge geht, wollen die Behörden schließlich kein Risiko eingehen.
Das alles wird vermutlich noch zunehmen, je häufiger „intelligente Videoüberwachung“ eingesetzt wird, um verdächtige Gegenstände oder Verhaltensweisen zu erkennen. Das Bundesinnenministerium beginnt demnächst mit einem Modellversuch am Bahnhof Berlin-Südkreuz, um die Leistungsfähigkeit der Kamerasysteme zu testen.
Wenn Innenminister Horst Seehofer dann von „mehr Sicherheit“ spricht, sollten wir uns an das Chaos auf dem Münchener Flughafen erinnern. Mehr Überwachung heißt eben auch mehr Fehlalarme und mehr Verdruss für alle.
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