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Chirac wirbt jetzt um die Wähler Le Pens

Noch ist er nicht im Amt bestätigt, doch schon konzentriert sich der Präsident auf die Parlamentswahl: Er wendet sich weiter nach rechts

PARIS taz ■ Seit am 21. April 5,5 Milionen Wähler für die beiden Präsidentschaftskandidaten Jean-Marie Le Pen und Bruno Mégret stimmten, wagt kaum einer eine Prognose über den Ausgang der Stichwahl an diesem Sonntag. Zu viele haben sich getäuscht: Weder die Politiker noch die Meinungsforschungsinstitute noch die Journalisten hatten den Durchmarsch von Le Pen kommen sehen. Und zu unberechenbar ist das Verhalten der Le Pen-Gegner: Viele von ihnen schwanken immer noch zwischen einer Stimmabgabe für den Neogaullisten Jacques Chirac, den sie seit Jahren bekämpfen, und einer Enthaltung.

Statt Prognosen zirkulieren jetzt Gerüchte. Eines davon lautet, dass Le Pen 40 Prozent erreichen könnte. Denn sein Erfolg habe viele zuvor Unentschlossene ermuntert. Doch egal, wie die Stichwahl ausgeht – Le Pen ist zu einer unberechenbaren Größe geworden. Als Staatspräsident säße er am Schalthebel des Militärs, hätte den Finger auf dem französischen Atomknopf, würde die Justiz kontrollieren und könnte sowohl das Parlament auflösen als auch Referenda über seine zentralen Themen organisieren: die Abschaffung des Einwanderungsrechtes, die Todesstrafe und den Ausstieg aus EU und Euro.

Auch wenn Le Pen nicht in den Elysée-Palast einzieht, kann er künftig auf großen Einfluss hoffen. Nach dem offiziellen Terminplan stehen im Juni Parlamentswahlen an. Gegenwärtig ist die Front National nicht in der Nationalversammlung vertreten. Doch nun dürfte es vielerorts in der Stichwahl zu „Dreiecken“ kommen, in denen der Wähler zwischen einem linken, einem konservativen und einem rechtsextremen Kandidaten entscheiden muss.

Noch unberechenbarer als diese „Dreiecke“ sind die Absprachen zwischen konservativen und rechtsextremen Politikern hinter den Kulissen. Derartige Kollaborationen haben bereits in der Vergangenheit mancherorts funktioniert. So wurden 1998 vier konservative Politiker nur dank Abkommen mit der FN erneut zu Regionalpräsidenten gewählt. Bisher wollte Chirac mit diesen Vertretern der rechtsliberalen UDF nichts zu tun haben, sie galten als Parias. Diese Isolation ist jetzt zu Ende. Am letzten Donnerstag saßen drei mit den Stimmen der FN gewählte Regionalpräsidenten in einer Wahlveranstaltung des Präsidenten in der ersten Reihe.

In seiner Rede baute Chirac Brücken für die Wähler der FN. Stärker als zuvor richtete er sich an die „kleinen Bauern“, die „kleinen Arbeiter“ und die „kleinen Unternehmer“. Erstmals in diesem Wahlkampf sprach er das Thema Einwanderung an. In Richtung der Linken, die sich anschickt, ihn am Sonntag zu wählen, machte er keine Gesten. DORA

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