Chinesische Investoren im Profifußball: Leere aus Fernost
Investoren aus China tummeln sich im europäischen Profifußball. Klubs hoffen auf Geld und neue Märkte. Der FC Pavia ging daran zugrunde.
Dabei ist die „Curva“ keine Kurve, sondern eine rechtwinklige Tribüne, gebaut an die – immerhin südliche – Schmalseite des Stadions. Nur etwa 200 Leute sind da, aber sie füllen die Curva. Und sie haben allesamt das blaue Trikot Pavias an, auf dessen Rücken der Spruch „oltre la categoria“ steht: jenseits der Spielklasse.
Im letzten Jahr haben sie ihrem Klub noch in der dritten Liga den Rücken gestärkt. Sie hatten Hoffnung, dass der Verein den Sprung in die zweite Liga schafft. „Die Besitzer hatten sogar versprochen, dass wir bald in die Serie A aufsteigen werden, ja dass Pavia in ein paar Jahren Champions League spielt“, erzählt einer der Ultras.
„Die Besitzer“, das waren Xiadong Zhu und David Wang, Geschäftsleute aus China. Sie versprachen nicht nur den fußballerischen Aufstieg. „Sie haben in der ganzen Stadt Hoffnungen geweckt“, erzählt Bürgermeister Massimo Depaoli. „Sie wollten Wirtschaftskontakte nach China vermitteln, immerhin wird rings um die Stadt ja auch Reis angebaut. Sie sprachen von einer Fußballakademie, planten Kooperationen mit der Universität. Wir haben sie mit offenen Armen empfangen.“
Das Spielzeug gefiel nicht mehr
Etwa anderthalb Jahre ging es gut. Die Eigner investierten in neue Spieler. Die Playoffs wurden erreicht. Insgesamt flossen 10 bis 15 Millionen Euro. Sehr viel für diese Spielklasse. Präsident Zhu beschwerte sich denn auch über die Abzockmentalität italienischer Spielervermittler. Für Bürgermeister Depaoli durchaus zu Recht. „Sie waren wohl nicht immer gut beraten. Sie haben aber auch Profiteure angelockt“, blickt er zurück. „Ihre Maxime war: Wenn ihnen ein Spieler als gut vorgestellt wurde und 10.000 Euro verlangte, dann gaben sie ihm 15.000, nur um sicher zu sein, dass er auch wirklich kommt. Das hat zu dem Eindruck geführt, dass die Chinesen über unbegrenzte Mittel verfügten.“
Unbegrenzt waren die Mittel sicher nicht. Groß genug dennoch. In Mailand erwarb eine von Zhu geführte Immobiliengesellschaft ein Grundstück im Herzen der Stadt für 22 Millionen Euro und will darauf ein 13-geschossiges Haus mit Luxuswohnungen errichten. „Für das China, das zählt“, warben italienische Medien dafür und machten auf den Unterschied zum aus eher kleinen Geschäften bestehenden Chinatown rings um die Via Paolo Sarpi aufmerksam. In den Luxusbau, wegen der großzügigen Balkoneinheiten als „vertikale Gärten“ beschrieben, sollen chinesische Millionäre einziehen, so die Hoffnung. Die Projektkosten liegen insgesamt bei etwa 70 Millionen Euro. „Mit den Bauarbeiten soll nächstes Jahr begonnen werden“, sagt eine Sprecherin der taz.
Immobilienprojekte waren auch der Hintergrund für das Fußballinvestment in Pavia. „Sie wollten ein Erstligastadion für 20.000 Zuschauer errichten, mit Shopping-Center und Hotelanlagen“, bestätigt Bürgermeister Depaoli. Doch als die Investoren merkten, dass ihr Engagement im Fußball nicht zu Vorzugskonditionen bei Baugenehmigungen führte, verschwanden sie einfach aus Pavia. Angestellte und Spieler wurden nicht mehr bezahlt. Selbst die Garantiesumme für die Drittligalizenz wurde nicht überwiesen.
Das Spielzeug gefiel nicht mehr. Und China, das gerade noch so nah war, wurde wieder fern und unzugänglich.
Fünf Millionen Euro Schulden
Sechs Angestellte versuchen derzeit vor Gericht, Monatsgehälter von insgesamt 100.000 Euro zu erstreiten. Auch einige Exspieler klagen. Der Fiskus fordert etwa 2 Millionen Euro. Auf etwa 5 Millionen Euro werden die Gesamtschulden geschätzt.
Der Verein, neu gegründet im Sommer, mit dem stolzen Gründungsjahr 1911 im Namen, spielt jetzt in der fünften Liga. Deshalb haben die Fans auch den Spruch „jenseits der Spielklasse“ auf ihre Trikots gedruckt. „In der Not rückt man zusammen“, sagt Ultra Stefano, der vor dem Spiel Spieler und Trainer von der Tribüne aus namentlich ruft, und – wo hat man das sonst noch? – jedes Mal freundlich zurückgegrüßt wird.
Sie geben sich hip, kritisch, unangepasst: Die Identitären sind die Popstars unter den neuen Rechten. Wie gefährlich die Bewegung ist, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 1./2. Oktober. Außerdem: Am Sonntag stimmt Kolumbien über das Friedensabkommen zwischen Regierung und Farc-Guerilla ab. Endet damit der Krieg? Und: Die libanesische Künstlerin Zeina Abirached über ihre neue Graphic Novel „Piano Oriental“. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Der Zorn auf die Exbesitzer ist zwar nicht verraucht, Ressentiments gegenüber Chinesen gibt es in Pavia aber auch nicht. „Manche italienischen Unternehmer verhalten sich schlimmer“, lacht Bürgermeister Depaoli. Ultra Stefano hat erst recht nichts gegen Chinesen. Er arbeitet in einem ChinaRestaurant, das von einem in einem Chinesen geführt wird. „Er hat zuletzt Leute entlassen müssen, weil die Konkurrenz durch die chinesischen Restaurants, die von Italienern geführt werden, zu groß geworden ist“, weist er auf einen eher bizarren Aspekt der sino-italienischen Beziehungen hin.
Für die großen chinesischen Investments im nur 30 Minuten entfernten Mailand ist Pavia aber ein warnendes Beispiel. Multiunternehmer Zhu etwa wurde bereits mit der Investmentgruppe in Verbindung gebracht, die im Begriff ist, den AC Mailand für insgesamt etwa 740 Millionen Euro zu übernehmen. 100 Millionen Euro sind vertragsgemäß bereits überwiesen, der Rest soll Ende des Jahres folgen. Wer genau zu den Investoren gehört, weiß man selbst im Lager des Zielobjekts nicht. Über den Frontmann der Investoren Yonghong Li ist kaum mehr bekannt, als dass er einer Holding namens Jin An De vorsteht, die außer den Aktien einer einzigen Firma kein weiteres Kapital enthält. Auch die Eigner des zur Investorengruppe gehörenden Staatsfonds Haixia Capital stecken noch im Dunkeln.
In Pavia kommt das den Fans bekannt vor. Auch hier stand Zhu als Präsident einem Fonds namens Pingy Shanghai Investment vor, dessen Kapitalausstattung und Teilhaberschaft bis zum Ende des Abenteuers nicht bekannt wurde.
Geduld in Mailand
Beim AC Mailand übt man sich jetzt in fast schon buddhistischer Geduld. „Die Regeln der Liga sehen vor, dass die Besitzer eines Vereins namentlich bekannt gegeben werden. Spätestens Ende des Jahres wissen wir mehr“, erklärt ein Sprecher des Vereins.
Trainer Vincenzo Montella freute sich schon einmal darüber, dass die Neuen zumindest für die ersten Gehälter in der laufenden Saison aufgekommen sind. Für mehr, etwa neue Trainingsanzüge, reicht es nicht. Der Vertrag mit Ausstatter Dolce & Gabbana ist im Zuge des langwierigen Besitzerwechsels ausgelaufen – und Montella nähte sich nach Auskunft italienischer Kollegen, die den Verein tagtäglich beobachten, in Eigeninitiative das Vereinslogo auf einen Privatanzug.
Besser sieht es bei Inter aus. Die neuen Besitzer sind bekannt. Sie setzten auch gleich den neuen Trainer Frank de Boer ein, der sich – anders als der geschasste Roberto Mancini – aus Transferfragen heraushält und auf das rein Sportliche konzentriert. Wie gut vertraut sie selbst mit dem Fußballgeschäft sind, wird die Zukunft zeigen. Transferkompetenz haben auch sie ausgelagert – auf den Superagenten Jorge Mendes etwa. Der Portugiese, Manager unter anderem von Jose Mourinho und Cristiano Ronaldo, brachte für 45 Millionen Euro den Mittelfeldspieler João Mário bei Inter unter. Mendes’ Agentur wird zu 30 Prozent übrigens von chinesischen Geldgebern finanziert.
Auch in der Premier League, unter anderem bei Manchester City und Spaniens Liga, etwa Atlético Madrid, sind chinesische Co-Eigner engagiert. In Portugal glaubte der chinesische Hauptsponsor der zweiten Liga sogar die Bedingungen diktieren zu können. Er forderte, dass pro Jahr zehn chinesische Spieler von den Klubs eingesetzt werden sollten. Ein Proteststurm führte zum Aussetzen der Klausel.
Das Kapitel chinesischer Investoren ist in Pavia geschlossen. Mit dem Ergebnis, dass der Klub, bei dem einst Juve-Coach Massimiliano Allegri spielte, nun das familiäre Vergnügen von Fünftligafußball hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour