Chinesische Antwort auf Atomtest: Enttäuschte Brüder
Die Führung in Peking reagiert ungewohnt sauer auf die Zündelei des alten Verbündeten Nordkorea. Auch China scheint die Geduld zu verlieren.
PEKING taz | Pekings Reaktionen auf Nordkoreas Atomtest fielen scharf und eindeutig aus: „Die chinesische Regierung erklärt ihre entschlossene Ablehnung“, heißt es am Dienstag in einem Schreiben von Chinas Außenministerium. „Wir fordern die nordkoreanische Seite dringend auf, sich an seine Verpflichtung zur Denuklearisierung zu halten und keine weiteren Aktivitäten durchzuführen, die die Situation verschlimmern könnten.“
Das sind ungewöhnliche Töne aus Peking. Hat doch die Volksrepublik seinen einstigen Bruderstaat noch bis vor Kurzem ausdrücklich in Schutz genommen und bei einer allzu harten Gangart vor einer Eskalation des Konflikts gewarnt.
Peking hatte Nordkorea bislang als wichtigen Puffer zu den US-Truppen betrachtet, die in Südkorea und Japan stationiert sind. Außerdem herrscht die Sorge vor den möglichen Folgen eines Zusammenbruch des Regimes in Pjöngjang: Massen von Flüchtlingen könnten sich dann über die Grenze nach China retten.
Nun scheinen aber auch die Chinesen die Geduld zu verlieren. Außenminister Yang Jiechi bestellte am Dienstag sogar Nordkoreas Botschafter ein – das erste Mal in der Geschichte.
Keine Annäherung
Hinter Pekings Unmut steckt auch so etwas wie enttäuschte Liebe. China habe mehrfach versucht, sich an Nordkorea anzunähern, erklärt Jin Canrong, Expertin für internationale Politik an der Pekinger Renmin-Universität. Jedoch ohne Erfolg. Zugleich habe Nordkorea Chinas Unterstützung für zu selbstverständlich genommen. „China wurde sehr enttäuscht.“
Bereits nach Pjöngjangs geglücktem Abschuss einer Langstreckenrakete Mitte Dezember hatte sich Peking dann nicht nur hinter den Kulissen, sondern auch offiziell sehr verärgert über das nordkoreanische Regime gezeigt: Als es Mitte Januar im Weltsicherheitsrat als Reaktion auf die Raketentests um eine Ausweitung der Strafen gegen Nordkorea ging, stimmte China der Resolution zu – wenn auch erst nach langen Verhandlungen.
Aber auch in den Staatsmedien wird gegen den einstigen Bruderstaat heftig gewettert. Die Global Times forderte vor Kurzem, Nordkorea solle einen hohen Preis zahlen, falls es seine Drohung wahrmacht, einen dritten Atombombentest auszuführen.
Einstellung der Finanz- und Rohstoffhilfen?
Genau das ist am Dienstag geschehen. Zwar geht aktuell niemand in Peking davon aus, dass es nun zum Bruch mit Nordkorea kommen wird. Und welche unmittelbaren Konsequenzen Nordkoreas Atomtest auf die einstige Bruderschaft haben werden – das ließ das chinesische Außenministerium am Dienstag offen. Hinter den Kulissen soll eine Einstellung der Finanz- und Rohstoffhilfen aber im Gespräch sein.
Das US-Außenministerium verkündete am Dienstag, US-Geschäfte mit dem chinesischen Waffenhersteller Poly Technologies werden ab sofort verboten. Poly werden Waffenlieferungen unter anderem an Nordkorea vorgeworfen.
Daraufhin reagierte die chinesische Regierung empört: Diese Sanktionen seien ein ernster Verstoß gegen Regeln des internationalen Zusammenlebens und liefen Pekings Interessen zuwider. Man habe bereits Beschwerde gegen den Schritt der US-Regierung eingelegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht