Chinesen in Berlin: Kaum einer will ins Asia-Ghetto
Berliner Chinesen sind wenig begeistert von der geplanten Chinatown: Sie wollen lieber in einer multikulturellen Stadt wohnen als im Ghetto weit draußen.
Ja, gehört hat Realimo Lie, der Kellner im China Food am Bahnhof Zoo von der Absicht der Stadt Oranienburg, eine Chinatown zu gründen. Aber dort hinziehen würde der in Deutschland geborene Mitzwanziger nicht. "Ich finde es überhaupt nicht gut, wenn Chinesen unter sich bleiben. Da würde ich mich nicht mehr wie in Deutschland fühlen," sagt er. Ob er dort ein Restaurant eröffnen würde? Der Chinese ist skeptisch. "Wer fährt denn so weit raus zum Essen? Und vielleicht gibt es dort auch Fremdenfeindlichkeit."
Die geplante Chinatown (siehe Text oben) soll vor allem eine touristische Attraktion werden, hoffen Oranienburgs Stadtväter - und ein Anziehungspunkt für die rund 7.000 Chinesen in Berlin und Brandenburg.
Aber Murat Gündüz, der türkische Inhaber des China Food, wird richtig wütend, wenn er darüber spricht. "Da will die Stadt Oranienburg Geld verdienen und sie denkt nicht an die Folgen von Ghettoisierung! Das kann zu Konflikten führen wie zwischen Türken und Kurden." In seinem Restaurant arbeitet der Türke mit Chinesen, Vietnamesen, Thailändern und Deutschen zusammen. "Wir kommen alle miteinander gut aus. Die Menschen müssen doch lernen zusammenzuleben und nicht nach Nationen getrennt." Gündüz Koch Sonn Le findet die Idee dagegen gut. "Aber die Chinatown sollte nicht in Oranienburg sein, sondern um die Ecke in der Kantstraße," ist er überzeugt.
Dort gibt es eine ganze chinesische Ladenzeile. Der Chinaimbiss reiht sich an einen Laden für handgefertigte Kleidung aus Fernost und ein asiatisches Nagelstudio. Drei Türen weiter hat die Chinesin Huanxuan Yn ihren Laden mit chinesischen Kleinmöbeln und Statuen. Sie würde um keinen Preis nach Oranienburg umziehen. "Viele meiner Kunden haben kein Auto. Hier kommen sie mit der S-Bahn hin," lässt sie durch ihren elfjährigen Sohn übersetzen. Und fügt hinzu: "Wenn viele Chinesen zusammen leben wie in den USA, ist das nicht gut."
Nebenan im Restaurant sitzen drei Chinesen. Xuguang Wang hält Chinatown für eine Schnapsidee - "wie Tropical Island, was ja auch nicht so richtig läuft." Wang ist ethnischer Chinese aus Malaysia. Mit den Chinesen aus der Volksrepublik oder aus Taiwan hat er weniger am Hut als mit seinen deutschen Nachbarn. Der Ingenier ist wie die meisten Berliner Chinesen hervorragend integriert und verspürt kein Bedürfnis nach chinesischer Subkultur. Schon gar nicht am Stadtrand. Sein Tischnachbar pflichtet ihm bei: "Keiner fährt so weit raus." Nur die 23jährige Friseur-Praktikantin Minh findet die Idee eines chinesischen Stadtviertels "einfach cool". Und dann fragt sie: "Wo liegt eigentlich Oranienburg?"
Aber nach dem Willen der Stadtväter Oranienburgs sollen sich nicht nur Chinesen in China-Town ansiedeln. Potentielle Mieter für Wohnungen mit asiatischen Stilelementen könnten etwa asienbegeisterte Teenager sein, die auf Manga-Comics stehen oder auf Filme aus Bollywood und Korea - und die demnächst ihre eigene Wohnung suchen. Zum Beispiel Birthe und Lisa, zwei Teenager aus Lichtenberg,: "Eine Chinatown wäre ein Traum für unsere gemeinsame WG," schwärmt die 15-jährige Lisa tatsächlich. Aber Oranienburg? "Eigentlich will ich später im Prenzelberg wohnen. Oder im Samariterviertel. Dort ist was los," sagt Birthe.
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