Chiles Regierung rudert zurück: Diktatur bleibt Diktatur

Chiles neuer Bildungsminister versuchte, das Wort "Diktatur" für Pinochets Schreckensherrschaft in Schulbüchern durch einen neutralen Begriff zu ersetzen. Vergeblich.

Bleiben auch in chilenischen Schulbüchern die Insignien eines Diktators: Hut und Uniform Pinochtes auf seinem Sarg im Dezember 2006. Bild: reuters

BUENOS AIRES taz | Die Herrschaft des früheren Generals Augusto wird in den chilenischen Schulbüchern auch weiterhin als "Diktatur" bezeichnet. Das Vorhaben die Pinochet-Ära in den Geschichts- und Sprachbüchern für SchülerInnen im Alter zwischen neun und 13 Jahren künftig nicht mehr als "Militärdiktatur", sondern als "Militärregime" zu bezeichnen, ist vorerst gestoppt.

Vergangene Woche hatte der neu ins Amt gekommene Bildungsminister Harald Beyer den Austausch der Begriffe angekündigt. Beyer sprach von einer unpolitischen Entscheidung und davon, dass der Begriff "Militärregime" doch einfach nur eine allgemeinere Formulierung sei. Während die ewig gestrige Rechte Beifall klatschte, stieß der Vorschlag von Mitte bis Links auf Ablehnung. Und das überwiegend negative Echo in der Weltpresse wurde auch im Präsidentenpalast vernommen.

Jetzt machte der Minister die Kehrtwende. Mit einem erneuten verbalen Eiertanz versicherte Beyer, dass die Regierung "nie versucht habe, den nichtdemokratischen Charakter des Militärregimes und die Verletzung der Menschenrechte, die währenddessen passierten, nicht zur Kenntnis zu nehmen". Die Regierung werde dem zuständigen Entscheidungsgremium eine neue Formulierung vorschlagen, so der Bildungsminister.

Dem Versuch, das Wort "Diktatur" loszuwerden, war vergangene Woche ein Sturm der Entrüstung gefolgt. Linke Abgeordnete und Angehörige von Opfervereinigungen hatten Beyer Geschichtsfälschung vorgeworfen. Isabel Allende, Senatorin und Tochter des von Pinochet 1973 gestürzten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende, sprach von einer "inakzeptablen" Entscheidung. Selbst der frühere christdemokratische Präsident Eduardo Frei sagte, "Diktaturen sind Diktaturen, sie haben keinen Nachnamen".

Die Auseinandersetzung über das Geschichtsbild der Pinochet-Diktatur ist nicht neu. Die gegenwärtige Regierung unter Präsident Sebastián Piñera ist die erste konservative seit Ende der Diktatur 1990. Die beiden rechten Parteien, auf die sich Präsident Piñera stützt, weigern sich seit langem, die 17-jährige Schreckensherrschaft als Diktatur zu bezeichnen. Ebenso verneinen sie, dass es Folter, Mord und Verschleppung gegeben hat.

Während der Pinochet-Diktatur sind nach offiziellen Angaben mehr als 3.000 Menschen getötet worden oder spurlos verschwunden. Eine Kommission zur Aufklärung der Verbrechen der Pinochet-Diktatur hatte erst vor kurzem die Zahl der Diktaturopfer mit 38.283 angegeben.

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