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Chiles Justiz geht gegen Colonia Dignidad vorHaftbefehl gegen Sekten-Arzt

Hartmut Hopp, führendes Mitglied der Colonia Dignidad und wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt, ist abgetaucht. Er könnte sich nach Deutschland abgesetzt haben.

Hartmut Hopp in den 80er Jahren. Bild: dpa

BUENOS AIRES taz | Mit internationalen Haftbefehl sucht die chilenische Justiz das ehemalige Führungsmitglied der berüchtigten Deutschen-Siedlung Colonia Dignidad, Hartmut Hopp. Richter Jorge Zepeda räumte ein, es gäbe "die gewisse Möglichkeit", dass Hopp Chile verlassen habe. Hopp war im Januar wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch von Minderjährigen zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden, jedoch unter Auflagen auf freiem Fuß. Der 66-jährige Arzt galt nach dem Sektengründer Paul Schäfer als der zweitmächtigste Mann der Siedlung.

Die Kolonie war Anfang der 1960er Jahre von Paul Schäfer gegründet worden. Während der Diktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) diente sie dem Geheimdienst als Folterzentrum. Zum Ende der Diktatur 1990 lebten fast 300 Menschen in der Siedlung 400 Kilometer südlich von Santiago. Es waren vor allem Deutsche, aber auch Chilenen, die als Kleinkinder ihren Familien entrissen worden waren. Siedlungsgründer Paul Schäfer starb im Alter von 88 Jahren April 2010 in einem Gefängniskrankenhaus in Santiago. Er war in mehreren Prozessen zu insgesamt 33 Jahren Haft verurteilt worden, unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen.

Vermutet wird, dass Hopp bereits seit Anfang Mai abgetaucht ist. Ob er seiner Ehefrau folgte, ist unklar. Dorothea Witthahn war am 21. April Richtung Frankfurt abgeflogen. Die chilenischen Grenzbehörden teilten mit, Hopp habe Chile, wenn überhaupt, nicht auf normalem Weg verlassen. Spekuliert wird deshalb, Hopp könnte sich mit einem Hubschrauber über die grüne Grenze ins benachbarte Argentinien abgesetzt haben und von dort weiter nach Deutschland gereist sein.

"Ich weiß, dass er hier ist"

Dass Hopp sich tatsächlich bereits in Deutschland aufhält, wird von dessen Schwiegertochter bestätigt. "Ich habe ihn nicht gesehen, aber ich weiß, dass er seit einer Woche in Deutschland ist", sagte die in Krefeld lebende Bärbel Schreiber in einem Telefongespräch mit dem chilenischen Journalistenverband Ciper. Bärbel Schreiber ist mit Hopps Adoptivsohn Michael verheiratet und Tochter des ebenfalls vor der chilenischen Justiz nach Deutschland geflüchteten Albert Schreiber. Auch Schreiber galt als Mitglied der engeren Führungsgruppe um Schäfer und war 2008 gestorben.

Am Montag wurde die Siedlung auf Anordnung von Richter Zepeda durchsucht. Acht Mitglieder aus der ehemaligen Führungsriege wurden verhaftet. Sie stehen unter dem Verdacht, dem deutschen Arzt Hartmut Hopp zur Flucht verholfen zu haben. Karl van den Berg, 76, Gerhard Mücke, 77, Kurt Schnellenkamp, 84, Friedhelm Zeitner, 47, Matthias Gerlach, 40, Renate Freitag, 71, Gerd Seewald, 89, und Gisela Gruhlke, 80, wurden noch in der Nacht auf Dienstag in ein Hochsicherheits- und ein Frauengefängnis in der Hauptstadt Santiago gebracht. Zwei weitere gesuchte Personen stellten sich am Dienstag den Behörden, darunter auch Schäfers Adoptivtochter Rebeca Schäfer.

Irgendwo geparkte Schwarzgelder

Wie Hopp sind auch die acht wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch von Minderjährigen verurteilt und unter Auflagen auf freiem Fuß, bis der Oberste Gerichtshof die Urteile bestätigt oder revidiert. Die Entscheidung soll demnächst fallen, und wie aus Justizkreisen durchsickert, sollen die Urteile bestätigt werden. Dass Hopp deshalb jetzt nach Deutschland geflohen ist, ergibt Sinn. Deutschland liefert deutsche Staatsbürger nicht ins Ausland aus.

Ob dies jedoch das einzige Motiv für Hopp ist, bezweifeln die chilenischen JournalistInnen Pedro Ramírez und Francisca Skoknic von Ciper. Möglicherweise geht es auch um die irgendwo geparkten Schwarzgelder der Colonia aus den finsteren Zeiten der Diktatur, als in der Kolonie nicht nur gefoltert und gemordet, sondern auch ein schwunghafter Waffenhandel betrieben wurde.

Nach Ansicht von Ciper könnte Hopp der letzte noch Lebende sein, der am besten über den Verbleib der auf Millionenhöhe geschätzten Dollar Bescheid weiß. Da passt es ins Bild, dass Hopps Ehefrau mit der ehemaligen Buchhalterin der Kolonie, Erika Heimann, nach Deutschland gereist ist. Heimann war mit dem 2004 verstorbenen Hans-Jürgen Blanck verheiratet, der für Schäfer die Schwarzgelder ins Ausland geschafft haben soll.

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4 Kommentare

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  • N
    Nachholbedarf

    Es erstaunt mich in der taz im Jahr 2011 Rassismen wie "Schwarzgeld" zu lesen.

    Lebt Ihr etwa noch hinter dem Mond und habt auch keine People of Colour in Eurem Team?

     

    Zur Abhilfe empfehle ich Euch einen Workshop in Anti-Rassismus. Die Einsichten tun erst mal weh, sorgen jedoch für eine Sensibilisierung.

  • C
    CHilene

    Dieser Herr hat sicherlich ausgezeichnete Verbindungen, zumal er schon 1 Monat vor Dursuchung abgetaucht ist und warscheinlich da schon wusste was auf ihn zukommt.Es gibt genug Beispiele dafür, dass diese mächtigen Herren nicht selten mit Politik und Polizei zusammen arbeiten.Mich wundert das alles gar nicht mehr.

  • PM
    Peter Mueller

    "Dass Hopp deshalb jetzt nach Deutschland geflohen ist, ergibt Sinn." Der deutschen Sprache weniger maechtige haetten sicher geschrieben "...macht Sinn." Vielen Dank Herr Vogt!

  • EZ
    Einreise zweiter Klasse

    Versteh ich nicht so ganz: Jeder sog."Wirtschaftsflüchtling" hätte keine Chance, über den Frankfurter Flughafen einfach so einzureisen. Aber ein geldwaschender Kinderschänder mit Verbindung zu Terrorregimes kriegt das offenbar einfach so hin. Weil er weiss ist? Wer weiss.