: Chile: Schatten der Diktatur
■ Mord vor neun Jahren könnte Polizeichef zu Fall bringen
Santiago de Chile (AFP/taz) – Ein neun Jahre alter Mordfall sorgt in Chile für politische Aufregung. Chiles neuer Präsident Eduardo Frei scheint entschlossen, eine Kraftprobe mit den chilenischen Sicherheitskräften zu wagen. Ins Zwielicht geraten ist insbesondere der Polizeichef Rodolfo Stange. Am vergangenen Donnerstag waren die Urteile in einem der spektakulärsten Mordfälle der Pinochet-Diktatur gesprochen worden. Drei hohe Polizei-Offiziere waren für schuldig befunden worden, an der Entführung und Ermordung von drei Mitgliedern der verbotenen Kommunistischen Partei beteiligt gewesen zu sein. Die Angeklagten gehörten dem berüchtigten polizeilichen Geheimdienst Dicomcar an, der inzwischen aufgelöst wurde. Die drei Getöteten, ein Soziologe, ein Lehrer und ein Zeichner, waren vor neun Jahren von den Polizisten entführt worden. Ihre enthaupteten Leichen wurden später am Stadtrand von Santiago entdeckt. Die drei Täter wurden – erstmalig in Chile – zu lebenslanger Haft verurteilt, weitere 13 Mittäter zu langjährigen Gefängnisstrafen.
Immer wieder hatten die drei Hauptangeklagten während des Prozesses beteuert, auf höheren Befehl gehandelt zu haben, ohne dazu jedoch nähere Angaben zu machen. Richter Milton Juica stellte abschließend fest, die Polizei habe die Ermittlungen einschneidend behindert. Insbesondere Polizeichef Rodolfo Stange und zwei weitere Polizeigeneräle müßten deswegen vor ein Militärgericht gestellt werden.
Die an der Koalitionsregierung beteiligte Partei für Demokratie (PPD) hatte daraufhin den Rücktritt Stanges gefordert. Der schloß einen solchen Schritt jedoch noch am Freitag kategorisch aus.
Gestern nun bestellte Präsident Frei den Polizeichef in den Präsidentenpalast, berichtete der Fernsehsender „Megavision“. Sollte Stange nicht freiwillig zurücktreten, werde Frei den Nationalen Sicherheitsrat einberufen. Zuvor habe ihn bereits Verteidigungsminister Edmundo Perez zum Rücktritt aufgefordert.
Beobachter werten die offenkundige Bereitschaft des Präsidenten, Stange aus dem Amt zu entlassen, als Kraftprobe zwischen Regierung und Polizei. In einer Erklärung vom Freitag hatte der Generalstab der militärisch organisierten Polizei mitgeteilt, die Polizei stehe „loyal und uneingeschränkt“ hinter General Stange. pkt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen