Chefin des Naturschutzamts über Wölfe: Gehört der Wolf zu Deutschland?
Der Wolf hat schon immer zu Deutschland gehört, sagt Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz. Ihr Tipp: Ruhe bewahren!
Der Wolf ist gekommen, um zu bleiben. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) zählt aktuell 46 Rudel, 15 Paare und vier sesshafte Einzeltiere. Bei der Zählung vor einem Jahr waren es noch 31 Rudel gewesen, wie das Amt am Freitag mitteilte. Insgesamt dürften es mittlerweile über 200 Tiere sein. Die meisten leben in Brandenburg und Sachsen.
Frau Jessel, gehört der Wolf zu Deutschland?
Beate Jessel: Der Wolf gehört zu unserer heimischen Tierwelt. Er war bis vor etwa 150 Jahren bei uns heimisch, bis er dann ausgerottet wurde. Um das Jahr 2000 ist er von sich aus über Westpolen wieder zu uns eingewandert.
Wie gefährlich sind die neuen Wölfe für Menschen?
Mit der Zahl der Wölfe steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen den Tieren begegnen. Der Wolf hat aber mehr Angst vor den Menschen als umgekehrt. Er wird in der Regel von sich aus die Flucht ergreifen. Bei der Begegnung mit einem Wolf gilt deshalb Ruhe bewahren und sich laut bemerkbar machen. Im Gegenzug auf keinen Fall die Tiere anlocken oder anfüttern. Wölfe verlieren dadurch ihre natürliche Scheu, werden verhaltensauffällig und verlieren schließlich an Akzeptanz in der Bevölkerung.
Wann gilt ein Wolf als verhaltensauffällig?
Wir werden aufmerksam, wenn sich ein Wolf wiederholt Menschen oder bewohnten Häusern auf weniger als 30 Meter nähert und nicht die Flucht antritt, sich sogar vielleicht für Menschen interessiert.
Wieviel Wildnis verträgt Deutschland?
Beate Jessel ist seit 2007 Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz.
Der Wolf ist gar nicht auf Wildnis angewiesen, er hat sich mittlerweile in Kulturlandschaften etabliert. Die ersten Wölfe haben sich in der Lausitz auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz niedergelassen. Was er braucht sind ruhige Gegenden mit ausreichend Nahrung, also Wildschweine, Rehe oder Hirsche und von denen gibt es auch genug. Wir haben in Deutschland potentiell Platz für etwa 440 Wolfsrudel. Ich glaube aber nicht, dass wir diese Obergrenze erreichen werden.
Vor Berlin sollen Elche gesichtet worden sein, zuvor ein Luchs in Oberschwaben. Welche wilden Tieren sollen als nächstes zu uns kommen?
Ich bin kein großer Freund von solchen Wiederansiedlungen. Ich finde es besser zu warten, bis die Lebensbedingungen für diese Tiere wieder stimmen und solche Arten von selbst wieder zurückkommen. Der Wolf ist dafür ein sehr schönes Beispiel. Ich glaube aber nicht, dass sich Elche bei uns dauerhaft etablieren können. Sie brauchen kühle, feuchte und große Waldgebiete, die gibt es stärker in den östlichen Gefilden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste