Chef der Schweizer Volkspartei: Schweizer in Schwarz-Weiß
Christoph Blocher ist seit 30 Jahren der wichtigste Propagandist und Hauptfinanzier der SVP. In den nächsten vier Jahren dürfte er die Schweizer Politik maßgeblich bestimmen.
Die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei (SVP) ist bei den Parlamentswahlen am Sonntag zum dritten Mal seit 2003 stärkste unter sieben antretenden Parteien geworden. Dieser Wahlsieg ist in erster Linie das Verdienst des 71-jährigen Christoph Blocher, seit fast 30 Jahren der strategische Führer, wichtigste Propagandist und Hauptfinanzier der SVP. Schon mehrfach in den letzten Jahren galt die politische Karriere des 71-Jährigen als beendet. 2004 votierte eine Mehrheit der Eidgenossen entgegen der von ihm angeführten Kampagne für einen Beitritt der Alpenrepublik zur UNO - Blochers erste große Niederlage, seit er im Jahre 1977 der SVP beitritt und sie von 9,9 Prozent der Wählerstimmen (im Jahre 1975) auf über 29 Prozent im Jahr 2003 führte.
Mit diesem Ergebnis setzte er einen zweiten Sitz für die SVP im Bundesrat, der siebenköpfigen Regierung in Bern, durch und übernahm selber das Amt des Justizministers. Doch wegen seiner Unkollegialität gegenüber den anderen Bundesräten, mehrfacher nachgewiesener Lügen in öffentlichen Reden und vor dem Parlament und wegen seiner rüden Diffamierung Andersdenkender wurde Blocher im Dezember 2007 aus der Regierung abgewählt.
In den letzten vier Jahren hatte er kein politisches Amt, bestimmte aber weiterhin hinter den Kulissen die Politik der SVP. Die Grundbotschaft, mit der er seine Partei erneut zum Wahlsieg trommelte, ist seit 30 Jahren dieselbe, mit jeweils der aktuellen Lage angepassten Varianten: Die Schweiz, ihre Grenzen, ihre Unabhängigkeit, ihre Wirtschaft, ihre Arbeitsplätze - all das ist massiv bedroht. Durch Muslime, die Masseneinwanderung krimineller Ausländer und von der feindlichen EU.
Dabei polarisiert er wie kein anderer Schweizer Politiker. Während sein Engagement gegen eine Integration der Schweiz in supranationale Organisationen und für eine Verschärfung des Asylrechts von seinen Anhängern als Gegenwehr verstanden wird, werfen ihm seine Gegner und ein Teil der Medien Demagogie, Populismus und Fremdenfeindlichkeit vor.
Die Eurokrise der EU kam Blocher und seiner SVP für diesen Wahlkampf gerade recht: als Beleg für die These, dass es der Schweiz ohne EU-Mitgliedschaft besser gehe. Die Doppelrolle als einer der reichsten Schweizer und Vertreter der Staatsmacht einerseits und als Volkstribun gegen Staat, Regierung, Bürokratie andererseits spielt Blocher erfolgreicher als irgendein anderer rechtspopulistischer Führer in Europa. Ganz gleich, welchen politischen Posten er jetzt innehat: auch in den nächsten vier Jahren dürfte Christoph Blocher die Schweizer Politik maßgeblich bestimmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe