Chef von „Jüdische Allgemeine“: Der Zweifel am Zweifel
Deborah Feldman stellt in der neuen „Weltbühne“ die jüdische Identität von Philipp Peyman Engel infrage. Doch mehrere jüdische Gemeinden widersprechen.
Die originale Weltbühne der Weimarer Republik war ein Forum für linksintellektuelle Debatten, bevor sie 1933 von den Nazis verboten wurde. Die neue Weltbühne wird von Thomas Fasbender mitherausgegeben, bis zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine 2022 noch Kommentator beim russischen Staatspropagandasender RT. Verleger Holger Friedrich wird zudem für seine Russlandnähe kritisiert.
In ihrem Beitrag für die erste Ausgabe von Friedrichs Weltbühne, erschienen am Dienstag, vergleicht Deborah Feldman den Chefredakteur Engel mit dem Autor Fabian Wolff, der sich jahrelang fälschlicherweise als jüdisch ausgab und darauf eine publizistische Karriere baute. Feldman spricht in einem Instagram-Beitrag von „erstaunlichen Parallelen“ zwischen den beiden Personen. Zuvor hatte sie in den sozialen Medien mehrfach angedeutet, dass Engel ein „Kostümjude“ sei. Einige Beiträge hat Feldman wieder gelöscht, nachdem Engels Anwalt ihr eine Unterlassungserklärung geschickt hatte – das zeigen Dokumente, die die taz einsehen konnte.
Feldman behauptet in der Weltbühne, mit einem Familienmitglied Engels telefoniert zu haben, das „aus Angst vor Repressalien nicht namentlich genannt werden möchte“. Engels Familie „sei in der Verwandtschaft immer als Angehörige der Bahai-Gemeinde wahrgenommen worden“, einer universalen Religion, die Mitte des 19. Jahrhunderts im Iran gegründet wurde, so soll Feldmans Quelle ihr es berichtet haben. Damals konvertierten viele persische Jüdinnen und Juden zumindest offiziell zum Bahaitum, angesichts antisemitischer Diskriminierung. Die Person verstehe nicht, „wie er hierzulande als Jude auftreten könne, obendrauf ein so einflussreicher, um Positionen zu verbreiten, die auch der Familie unangenehm seien“, schreibt Feldman.
,,Rufmordkampagne, die niemand mehr ernst nehmen kann“
Der oder die angebliche Verwandte Engels soll Feldman ausführliche Protokolle aus Familienchats zugespielt haben, die Feldman als „überzeugend“ und „schockierend“ bezeichnet. Feldman schreibt: „Nahestehende Personen im Familienkreis fragen einander irritiert, ob irgendjemand je etwas über einen jüdischen Hintergrund von Philipps Mutter mitbekommen habe. Alle verneinen und bestehen darauf, dass die Familie schon immer als Bahai bekannt gewesen sei.“
Philipp Peyman Engel, Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen
Der taz liegen mehrere Dokumente vor, die die jüdische Identität Philipp Peyman Engels und seiner Mutter belegen. Die Israelitische Cultusgemeinde Zürich bestätigt in einem offiziellen Schreiben, ausgestellt im April 2025, dass beide nach orthodoxem Verständnis jüdisch durch Geburt sind (Engel hat zurzeit seinen Wohnsitz in Berlin und Zürich). Auch die Konferenz europäischer Rabbiner bestätigt mit einem undatierten Zertifikat, dass Engel Sohn einer jüdischen Mutter ist und deshalb als jüdisch anerkannt ist. Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz in Deutschland bestätigt in einem Schreiben, ebenfalls aus April 2025, dass Engel nach der Halacha, dem jüdischen Gesetz, jüdisch ist. Ein Dokument der jüdischen Kultusgemeinde in Dortmund, datiert auf das Jahr 1998, bescheinigt, dass Engels Mutter seit 1994 Mitglied ist.
Gegenüber der taz widerspricht Engel den Vorwürfen und schreibt, die wiederkehrenden Behauptungen zeigen, dass Feldman „eine Rufmordkampagne gegen mich betreibt, die niemand mehr ernst nehmen kann“. Es sei nicht das erste Mal, „dass Frau Feldman solch eine Kampagne mit unwahren Unterstellungen gegen eine jüdische Person betreibt, die eine andere Meinung als sie vertritt und die sie kritisch hinterfragt“. Er sei entsetzt, „dass ihr der Berliner Verlag dafür eine Bühne bietet“, so Engel.
Deborah Feldman wurde durch ihre Bücher „Unorthodox“ und „Judenfetisch“ bekannt. Feldman, die in einer ultraorthodoxen Sekte in New York aufwuchs, hat bereits in Vergangenheit die jüdische Identität diverser Jüdinnen und Juden in Deutschland angezweifelt.
Der Autor dieses Textes hat in der Vergangenheit Texte für die „Jüdische Allgemeine“ geschrieben. Zuletzt im Oktober 2024.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!