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Chavez will unbegrenzte WiederwahlMassendemo für ein "Nein"

Am nächsten Sonntag sucht Präsident Chávez erneut eine Mehrheit für eine Verfassungsänderung, die ihm die unbegrenzte Wiederwahl erlaubt. Hunderttausende protestieren dagegen.

Demonstranten zeigen Chavez, dass alle Macht eine Zeitbegrenzung hat. Bild: dpa

BUENOS AIRES taz Eng war es am Samstag auf den Straßen von Venezuelas Hauptstadt Caracas. Über eine halbe Million Menschen demonstrierten friedlich für und gegen eine geplante Verfassungsänderung von Präsident Hugo Chávez.

Unter dem Motto "Nein ist Nein" zogen die DemonstrantInnen - nach Angaben der Veranstalter 600.000 - in einer über 16 Kilometer langen Menschenschlange durch die Innenstadt. Die Proteste richteten sich gegen eine geplante Verfassungsänderung, mit der Staatspräsident Hugo Chávez erreichen will, dass er unbegrenzt wiedergewählt werden kann. Darüber soll am kommenden Sonntag in einem Referendum abgestimmt werden. Erst im Dezember 2007 war das Vorhaben in einem ersten Referendum mit rund 51 Prozent abgelehnt worden.

Zu dem Marsch hatten Studierende und Lehrende von den Universitäten der Hauptstadt aufgerufen, und sie prägten denn auch Nationalflaggen und Transparente schwingend den Zug. "Wir werden gewinnen, aber wir müssen nächsten Sonntag alle zu den Urnen gehen", forderte Ricardo Sánchez von der Universidad Central de Venezuela zur Teilnahme an der Volksabstimmung auf.

Eingereiht hatten sich jedoch auch VertreterInnen der Opposition. "Hier sind viele Menschen, die wie ich viele Male für Präsident Chávez gestimmt haben. Aber jetzt werden wir für die Verfassung stimmen, die wir am 2. Dezember verteidigt haben", sagte Ismael García, Generalsekretär der rechtssozialdemokratischen Partei Podemos.

"Das Ja am nächsten Sonntag wird das Nein pulverisieren," so Chávez in einer ersten Reaktion auf die Demonstration gegen ihn. Zwei Stunden später war er selbst mit seiner "Kampagne für das Ja" vom östlichen Stadtteil Petare Richtung Innenstadt aufgebrochen, allerdings mit erheblich weniger Beteiligung.

Das Parlament hatte Mitte Januar eine Verfassungsänderung verabschiedet, die eine unbegrenzte Wiederwahl von Bürgermeistern, Gouverneuren und des Staatschefs zulässt. Damit diese jedoch in Kraft treten kann, muss sie per Volksabstimmung bestätigt werden. Das Referendum unter den rund 16 Millionen Stimmberechtigten findet am 15. Februar statt. Der Ausgang gilt als offen. Die bislang veröffentlichten Umfrageergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen. Je nach politischer Couleur liegt das Si oder das No vorn.

Hugo Chávez Amtszeit endet 2013. Sollte die Bevölkerung am kommenden Sonntag zustimmen, könnte er dann erneut als Kandidat antreten. JÜRGEN VOGT

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7 Kommentare

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  • UH
    Ulrich Hausmann

    @ Peter Schmitt:

     

    1. Wieso sprechen Sie davon, dass Chavez Angst vor einer demokratischen Entscheidung des Volkes hat, wenn er doch gerade eben diese (neuartige) Form von Volksentscheidungen erst durchgesetzt hat. Ähnliche Demokratische Mitbestimmung des Volkes wünscht man sich hierzulande verzweifelt.

     

    2. Unbegrenzte Wiederwahl ist in vielen Staaten doch Gang und Gebe, es involviert doch immer noch die Wahl. Jetzt von einer Diktatur zu sprechen ist paranoid.

     

    3. Warum wird hier nicht von den (noch größeren) Pro-Chavez Demos berichtet?

     

    4. Ich möchte auch eine ausgewählte Berichterstattung lesen, die mich herausfordert, aber wenn ich die Hetze gegen Chavez lesen möchte bleiben mir immer noch Welt, FAZ etc.

     

    Die Taz ist leider nicht zum ersten Mal durch einseitige Berichterstattung aufgefallen und enttäuscht mich immer mehr als alternative Zeitung.

     

    Für eine ausgewogene Berichterstattung empfehle ich die ILA oder poonal oder amerika21.de

  • MG
    M. Graubner, amerika21.de

    Die Größe der Demonstration wird maßlos übertrieben.

     

    DPA beruft sich auf die "Veranstalter" und nennt 600.000 als Teilnehmerzahl. Doch selbst der oppositionelle Fernsehsender Globovisión spricht auf seiner Homepage nur von "tausenden Teilnehmern" ohne sich auf unglaubwürdige Spekulationen einzulassen. Die schweizer Agentur SDA meldet 200.000.

     

    Schaut man auf die Seite der offen regierungsfeindlichen Zeitung El Nacional, so findet sich die Quelle der Deutschen Qualitätsjournalisten von DPA: Ein Sprecher der rechtsextremen Partei Primero Justicia, die der Konrad-Adanauer-Stiftung nahe steht. Dessen Teilnehmerrechnung schafft es bei El Nacional in die Schlagzeile.

     

    Doch laut Agenturen und Privatpresse in Venezuela waren es im Wesentlichen nicht die unbeliebten Parteien, die diese Demonstration organisiert hatten, sondern "Studentengruppen". Bei der gemäßigten konservativen Privatzeitung El Universal werden dann zwei Teilnehmer zitiert, 31 und 51 Jahre alt – sind das etwa Langzeitstudenten?

     

    Bei der Abschlusskundgebung spricht dann auch der Student Manuel Rosales, seines Zeichens Bürgermeister von Maracaibo im westlichen Bundesstaat Zulia und ehemaliger Präsidentschaftskandidat der Opposition. Er gehört der Partei Un Nuevo Tiempo an.

     

    An der Spitze der Demonstration wird der Direktor des Oppositionssenders Globovisón, Federico Ravell, gesichtet. Er hatte in den vergangenen Wochen offensichtlich die Oppositionskampagne gegen die Verfassungsänderung organisiert – mit dieser Demonstration als Höhepunkt.

     

    Um glaubwürdig zu machen, dass aber oppositionelle Studenten in Venzuela in der Lage sind, eine solche Demonstration zu organisieren, schreibt DPA:

     

    "Gegen das Referendum gab es in den vergangenen Wochen wiederholt massive Studentenproteste, die teils von Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst wurden."

     

    Bei der schweizer Agentur SDA wird das anders dargestellt:

     

    "In den vergangenen Wochen war es bei kleineren Protesten häufig zu Zusammenstössen mit der Polizei gekommen."

     

    Amerika21.de hat jedenfalls eher den Eindruck der Schweizer, wie hier berichtet wurde. Zudem berichteten wir im Gegensatz zu den westlichen Agenturen auch über die echten, großen Studentenproteste. Nach Ausschreitungen von gewaltbereiten "Studenten" gingen regierungsnahe Studenten zu einer Großdemonstration gegen Gewalt und für die Verfassungsänderung auf die Straße. Doch so etwas interessiert die Agenturen nicht. Der Norden soll sich schließlich auf die Seite der Oberschichten stellen. Und deren Parteien, Kommerzmedien und Studentengruppen stemmten diese Demo.

     

    Und was wollen diese "Studenten"? Sie wollen eine Oberklassendiktatur!

     

    Mehr Infos gibt es bei http://www.amerika21.de

  • MG
    M. Graubner, amerika21.de

    "Erst im Dezember 2007 war das Vorhaben in einem ersten Referendum mit rund 51 Prozent abgelehnt worden."

     

    Das Vorhaben der Verfassungsänderung wurde so noch nicht abgelehnt!

     

    Diese Verdrehung wurde hier offensichtlich von DPA übernommen, denen andere Agenturen mehr oder weniger folgen.

     

    Im Dezember 2007 stand jedoch eine umfangreiche Verfassungsreform zur Abstimmung, die zudem nur äußerst knapp abgelehnt worden war. Richtig ist: Auch die Begrenzung auf zwei Amtszeiten für den Präsidenten sollte damals abgeschafft werden. Aber nur für den Präsidenten. Bei der jetzigen Abstimmung geht es generell um die Änderung dieses Prinzips für alle Mandatsträger und nichts weiter.

     

    Wie die Venezolaner die nun angestrebte Verfassungsänderung schon einmal abgelehnt haben können, bleibt das Geheimnis der taz und der Agenturen....

     

    Bei der österreichischen Tageszeitung Standard heißt es wenigstens:

     

    "Ein erstes Referendum zu dieser Thematik war im Dezember 2007 gescheitert. Damals hatte sich die unbegrenzte Wiederwahlmöglichkeit nur auf das Präsidentenamt bezogen. Diesmal soll es für alle gewählten Volksvertreter gelten."

     

    Doch auch hier wird ungenau Berichtet: Das Referendum 2007 war eben nicht "zu dieser Thematik" – sondern zu einer umfangreichen Verfassungsreform, die einen Teilaspekt der nun angestrebten Änderung enthielt.

     

    Differenzierung scheint bei Berichterstattung über Bananenrepubliken nicht notwendig, so der Eindruck.

  • PS
    Peter Schmitt

    @ Lothar Walczak:

     

    - Klar, dass diese Demonstration gegen Chavez unter anderem auch regionalen Playern nützt, die man auch nicht mehr an den Schalthebeln sehen möchte. Spricht das gegen die grundsätzlichen Ziele der Demonstration (Verhinderung, dass bestimmte Amtsträger unbegrenzt wiedergewählt werden können)?

     

    - Wenn irgendwo "Studenten" demonstrieren, heißt das auch noch lange nicht, dass sie den alten Status Quo wiederherstellen möchten, wie von Ihnen indirekt unterstellt. Es wurde ja im Artikel erwähnt, wogegen sich die Demonstration richtete.

     

    - Wenn die Macht der weißen Oligarchen demokratisch beschnitten wurde, weshalb dann nun die Angst Chavez' vor einer weiteren demokratischen Willensäußerung des Volkes?

     

    @ hans hagen: Ist es nicht viel besser, wenn sich eine linke Zeitung nicht immer nur auf "linke Quellen" beruft? Ich z.B. möchte durch eine Zeitung in erster Linie informiert werden und nicht nur lesen, was ich gerne hören möchte und was mit meiner persönlichen Meinung konform ist.

  • N
    Name

    "Sie sind ein rechtes trojanisches Pferd in der TAZ"

     

    Genau, und in der taz sollten am besten stalinistische säuberungen durchgeführt werden...

  • HH
    Hans Hagen

    Massendemo für Nein.....

    Hallo!!

    Genauso Massendemo für Ja...!

    Informieren Sie sich richtig!

    Ihr Bericht ist einseitig!

    Sie berichten von Buenos Aires aus in Argentinien und geben in einer linken Zeitung Infos aus dem rechten Lager.

    Sie sind ein rechtes trojanisches Pferd in der TAZ.

  • LW
    Lothar Walczak

    Ohne wenigstens ein paar Bemerkungen zu den Machtverhältnissen und dero Entwicklung in Venezuela kann man mit dem Artikel nicht viel anfangen. Könnte so auch in jeder beliebigen Lokalzeitung stehen...

    Wenn Herr Ismael García meint, dass hier "viele" darunter sind, die sonst Chavez wählen, ist das erst mal eine Behauptung.

    Ein Hinweis im Artikel auf das finanzielle Engagement der USA in diese Schicht der (ehemaligen) Oligarchie wäre das mindeste, oder?

    Wenn irgendwo "Studenten" demonstrieren heisst das noch lange nicht, dass demokratischer und sozialer Fortschritt deren Ziele sind.

    Die (vorwiegend) weisse Oberschicht schäumt immer noch vor Wut, dass ihnen ihre Macht (demokratisch) beschnitten wurde, und lässt kaum ein Mittel aus, um den alten, 500 jährigen Status Quo wieder herzustellen.