piwik no script img

Charlie Kirk unter den SerbenDer weiße Adler

MAGA-Influencer Charlie Kirk wird von serbischen Rechten zum Märtyrer verklärt. Damit will man auch bei US-Präsident Trump punkten.

Charlie Kirks Wandbild an der Gazela-Brücke in Belgrad, 26.09.2025 Foto: Marko Djurica/reuters

Rund fünf Meter hoch ist das Wandbild, das am 25. September an der Gazela-Brücke in Belgrad auftaucht. Es zeigt Charlie Kirk in einem weißen Trikot der „Illinois White Eagles“ mit serbischem Wappen, der Nummer Sieben und einem Basketball in der Hand. Daneben die Aufschrift: „Charlie Kirkovich 1993–2025 RIP.“

Erstellt wurde das Mural vom Centar za društvenu stabilnost (CZDS), auf Deutsch: Zentrum für gesellschaftliche Stabilität. Die Südosteuropaexpertin Aleksandra Tomanić ordnet ein: „CZDS ist eine regierungstreue Organisation. Sie steht öffentlich hinter der Politik des Präsidenten und ist ein weiteres Sprachrohr, getarnt als unabhängige NGO.“ Das CZDS postete ein Video von der Entstehung des Murals und schrieb: „Er verteidigte Familie, Glauben und Meinungsfreiheit.“

Auch der serbische Präsident Aleksandar Vučić äußerte sich als Gast in der Sendung „American Agenda“ beim rechten US-Sender Newsmax positiv über Charlie Kirk – ohne von dem Moderationsduo danach gefragt worden zu sein. Vučić behauptet, dass 99 Prozent der Serben Charlie Kirk vor seinem Tod nicht kannten, aber jetzt „100 Prozent der Serben alles über ihn wissen.“ Beim Schauen der Sendung wird schnell klar, worum es in den Lobgesängen auf den Rechtsaußen-Influencer Kirk eigentlich geht: Vučić schleimt sich bei Trump ein. Im selben Interview behauptet Vučić, überall in Serbien seien Wandbilder von Charlie Kirk aufgetaucht. Das Interview fand am 27. September statt – kurz nachdem das große Mural in Belgrad gemalt wurde.

In seinem Podcast, der Charlie Kirk Show, erzählte der evangelikale Rechtsaußen-Aktivist, dass er in Chicago unter vielen Serben aufgewachsen sei und bei den Illinois White Eagles gespielt habe, einem serbischen Jugend-Amateurteam. Der doppelköpfige weiße Adler ziert die serbische Nationalflagge – als „Weiße Adler“ sind jedoch auch rechtsextreme paramilitärische Verbände bekannt, verantwortlich für schwerste Kriegsverbrechen im Bosnienkrieg. Chicago beherbergt die größte serbische Diaspora außerhalb Europas.

Mural wurde beschmiert

Kirk erzählt, dass seine Mannschaft nicht nur „White Eagles“ hieß, sondern tatsächlich alle Spieler weiß waren und alle außer ihm Serben. Kirk betont so nachdrücklich, dass die Hautfarbe keine Rolle gespielt habe, wenn seine „rein weiße Mannschaft“ gegen rein Schwarze Mannschaften antrat, dass gerade dadurch der gegenteilige Eindruck entsteht. Im Podcast zeigt er sich den Serben ausgesprochen zugewandt: „Ich habe eine Schwäche für die Serben. Sie sind großartig“, sagt er – und prahlt damit, die schlimmsten serbischen Flüche zu kennen. Außerdem erzählt er, man habe ihn damals „Sheva Kirković“ genannt. Die Aufnahme stammt aus dem Frühjahr 2022.

Die ganze Geschichte um Kirk und seine Zeit bei den Illinois White Eagles wurde zunächst von manchen für einen Fake gehalten, wohl auch, weil man online fast nichts über die Mannschaft finden konnte. Kurz nach seiner Ermordung wurde dann auf dem X-Profil „Serbs for Trump“ ein Foto von Charlie Kirk mit den Illinois White Eagles gepostet. Das Tiktok-Profil „hoop-crashout“ veröffentlichte ein Video, auf dem Charlie Kirk zu sehen sein soll, wie er Dreierwürfe verwandelt.

Außerdem gibt es einen X-Account mit gerade einmal 37 Followern, der sich als offizieller Twitter-Account der Illinois White Eagles präsentiert und die höchste Aktivität von März 2010 bis August 2011 aufweist. In einem Post vom 16. Juni 2011 wird dort darauf hingewiesen, dass der 6,4 Fuß (1,95 m) große Charlie Kirk seine Werte in der Saison verbessert habe. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass der 1993 geborene Charlie Kirk als Teenager tatsächlich bei einer serbischen Diaspora-Jugendmannschaft namens „Illinois White Eagles“ gespielt hat.

Das Mural in Belgrad wurde kurz nach seiner Entstehung beschmiert. Kirks Gesicht und die Aufschrift „Illinois White Eagles“ wurden mit schwarzer Farbe überzogen. Auf dem Boden davor stand „Tod dem Faschismus“, daneben Parolen wie „Tod den Nato-Okkupatoren“, „Zionismus gleich Nazismus“ und „Meine Fotze, meine Entscheidung“. Ergänzt wurde das Ganze durch Antifa-Logo, Trans-Pride-Flagge, Hammer und Sichel, Anarchie-A und das sogenannte Venussymbol.

Eine linke Aktivistin aus Belgrad schließt zwar nicht aus, dass An­ti­fa­schis­t*in­nen das Mural beschmierten, sagt aber: „Ich glaube nicht, dass das unsere Leute waren. Das sieht aus, als hätten es die zerstört, die es gemalt haben.“ Das CZDS empört sich öffentlich über die Zerstörung ihres Murals und gibt „Antifa“ und „Anarchobolschewiken“ die Schuld. Zugleich verbreitet die Organisation die Lüge, Charlie Kirk sei von einem Linken getötet worden.

„Orbánisierung“ Europas

Ob das Mural von radikalen Linken zerstört wurde oder alles Teil einer regierungsnahen Inszenierung ist, bleibt offen – genutzt wird der Vorfall jedenfalls von der serbischen Rechten. Bemerkenswert am Timing: Das Wandbild wurde am selben Tag zerstört, an dem Ungarn „die Antifa“ zur Terrororganisation erklärte. Zuvor hatte Donald Trump den Mord an Charlie Kirk zum gleichen Zweck instrumentalisiert.

Auch im Nachbarland Bosnien-Herzegowina gab es eine Gedenkveranstaltung für Charlie Kirk vor dem Parlament der Republika Srpska in Banja Luka. Dessen Präsident, Milorad Dodik, postete ein Video der Feier auf Instagram und schrieb dazu: „Die Serben wahren die traditionellen und familiären Werte, für die er fest eintrat.“ Die Veranstaltung wirkt weniger wie große Anteilnahme, sondern eher wie ein Versuch, sich bei Trump und der US-Rechten anzubiedern.

Auch in Kroatien spielt Charlie Kirk posthum eine Rolle. In Dubrovnik fand am Wochenende eine Konferenz zu seinen Ehren unter dem Motto „Make Europe Great Again“ statt. Partner waren die Organisation Turning Point USA, die nach Charlie Kirks Tod von dessen Witwe Erika Kirk geleitet wird. Eingeladen hatten außerdem die rechtspopulistische kroatische Partei Domino, die Collegeorganisation der US-Republikaner sowie die antifeministische und queerfeindliche Abtreibungsgegner-Gruppe International Organisation for the Families.

Der kroatische Journalist der Wochenzeitung Novosti, Hrvoje Simičević, hat über das Treffen berichtet und fasst gegenüber der taz zusammen: „Die Konferenz fand dank des rechtsextremen kroatischen Europaabgeordneten Stephen Bartulica statt, welcher der Trump-Administration nahesteht. Sie arbeiten gemeinsam daran, die liberale Demokratie in Europa zu untergraben und den Kontinent zu ‚orbánisieren‘.“

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare