Chaostage in der Brandenburger SPD: Zeit für eine Frau an der Spitze
Nach dem Rücktritt seiner Vizechefin steht Dietmar Woidke ohne Nachfolge da. Das ist eine Chance zur Erneuerung und Verjüngung der Brandenburger SPD.

B eim Treffen der Jusos am Samstag im Landkreis Teltow-Fläming hat er sich nicht sehen lassen. Auch sonst war Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in den vergangenen Wochen wenig präsent. Seinen Regierungssprecher Florian Engels, der ihn gedrängt hatte, wieder sichtbarer zu werden, hat er kurzerhand entlassen. Die Nerven liegen blank bei Dietmar Woidke, der bereits länger als seine Vorgänger Manfred Stolpe und Matthias Platzeck Regierungschef im Land zwischen Elbe und Oder ist.
Die Entlassung seines Sprechers mag auch ein Hinweis darauf sein, dass die märkische SPD zuletzt zu einem Woidke-Wahlverein verkümmert war. Wer, wie im Wahlkampf zur Landtagswahl 2024, alles auf eine Karte setzt und am Ende tatsächlich vor der AfD über die Ziellinie läuft, fühlt sich stark, vielleicht zu stark. Und umgibt sich lieber mit Leuten, die einem nach dem Mund reden, als mit Profis und eigener Meinung.
Spätestens als es keine andere Wahl mehr gab, als mit Sahra Wagenknechts populistischem Bündnis zu koalieren, ist Woidke dieses „Ich oder die AfD“ auf die Füße gefallen. Für eine Koalition mit der CDU reichte es nicht, Grüne und Linke hatte der Ministerpräsident mit seinem „All in“ aus dem Parlament gekegelt.
Gegen eine weiter erstarkende AfD setzte vor allem Innenministerin Katrin Lange auf „Law and order“. „Ich bin nicht für einen weicheren Umgang mit der AfD, sondern für einen besseren und wirksameren“, erklärte Lange am Freitag. Da war sie gerade zurückgetreten.
Was aber ist wirksam an einer Politik, die der AfD hinterherläuft, anstatt eigene Themen zu setzen? Diese Frage konnte auch Lange nicht beantworten. Ihr eigener Kurs gegenüber den Rechtsextremen war jedenfalls nicht erfolgreich. Und nach der Entlassung des Verfassungsschutzchefs hat ihr die AfD zugejubelt.
Woidke vor einem Scherbenhaufen
Dietmar Woidke hat diesen Kurs mitgetragen. Bis zuletzt hat er an Lange festgehalten, auch als seiner Wunschnachfolgerin. Nun steht der Ministerpräsident vor einem Scherbenhaufen.
Der brandenburgischen SPD dagegen öffnet sich eine Chance. Schon vor Langes Rückzug war deutlich geworden, dass Machtworte in der über Jahrzehnte straff geführten Partei ihre Wirkung verloren haben. Nicht nur bei den Jusos, sondern auch in der Mitte der Landtagsfraktion.
Sollte Dietmar Woidke seiner Partei einen letzten Dienst erweisen wollen, wird er mit der Nachfolge für das Amt der Innenministerin der sich verändernden Partei Rechnung tragen. Auch könnte er darauf verzichten, der Wiederberufung von Jörg Müller als Verfassungsschutzchef Steine in den Weg zu legen.
Woidkes Nachfolge aber müssen andere regeln. Ohne Basta, sondern kollegial im Ton, auf Augenhöhe und mit Blick auf die notwendige Verjüngung der Partei. Auch bereit dazu, die AfD zu stellen und als verfassungsfeindlich zu bekämpfen, auch wenn das nicht unbedingt ein Verbotsverfahren bedeuten muss.
Vor allem aber wäre es endlich Zeit für eine Frau als Ministerpräsidentin in Brandenburg.
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