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Chaos beim PokalfinaleSprangers Stadion-Stadium

Uli Hannemann
Kommentar von Uli Hannemann

Berlin ist berüchtigt für schlechte Verwaltung. Immerhin, Fehlerverleugnung können sie. Das hat fast schon Trumpsche Dimensionen.

Chaotische Organisation: Einlass für Fans von Arminia Bielefeld zum Pokalfinale am Olympiastadion in Berlin Foto: Sören Stache/dpa

I n der nachträglichen Aufarbeitung der skandalösen Einlassprobleme rund um das diesjährige DFB-Pokalfinale im Berliner Olympiastadion glänzte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) mit besonderer Ignoranz. Organisatorischer Pfusch, Chaos, Sicherheitsmängel? Nicht unter Spranger. Die für den Einlass verantwortliche Stadiongesellschaft ist – schau an, wer hätte das gedacht – eine Tochter der Senatsverwaltung.

Und wer verteidigt seine Tochter nicht vorbehaltlos, wenn sie Scheiße gebaut, einen Lippenstift geklaut oder im Unterricht gestört hat. „Meine Tochter ist nicht so“, heißt es dann stets reflexhaft, „wenn sie ihrem Freund in den Irak gefolgt ist, um für den IS zu kämpfen, wird sie schon ihre Gründe gehabt haben. Sie ist ein gutes Mädchen.“

Mit Objektivität hat der Reflex allerdings auch hier nichts zu tun, wenn die Senatsverwaltung angibt, ihre Tochter könne „Großereignisse professionell abwickeln“. Das kann sie offensichtlich nicht. Und da spielt es auch keine Rolle, ob Subunternehmen am verheerenden Vollversagen beteiligt sein mochten. Denn auch die werden ja von der Stadiongesellschaft engagiert.

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Es war reines Glück, dass es nicht zur Panik kam und wir jetzt keine Diskussionen wie 2010 nach der Katastrophe bei der Love-Parade in Duisburg haben. Sondern stattdessen „nur“ über Schwächeanfälle, weinende Kinder, verpasste Anfangsspielminuten und würdelos in Becher gepinkelten Abend­urin sprechen.

Gaslighten

Insofern wäre es schon besser, die Innensenatorin hätte sich das Töchterlein zur Brust genommen, anstatt Öffentlichkeit und Betroffene massiv zu gaslighten. Die Berichte der Fans vor Ort werden von ihr stattdessen als „Vorhaltungen“ abgetan, die sich die armen Tröpfe aus den Fingern saugten, und keiner weiß, warum. Wichtigtuer mit Opfernarrativ wahrscheinlich, das kennt man ja auch von Boderlinern, die mit erfundenen Angriffen oder familiären Holocaustgeschichten aufgeflogen sind.

Das vielleicht Schlimmste daran ist dieses postfaktische Abtun Dutzender Clips und Hunderter Gedächtnisprotokolle der in dem gefährlichen Gedränge Steckenden, das dreiste Negieren zahlloser Zeugen und Beweise als, ja, als was eigentlich: als konstruiert, erlogen, KI-generiert? Antworten dazu gibt es nicht, kann es nicht geben. Das ist schon Leugnen in schlechter Trump-Manier.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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5 Kommentare

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  • Liebe taz-Redation, es heisst Betriebsgesellschaft im Falle des Olympiastadion. Die Stadiongesellschaft führt das Stadion von Union Berlin an der alten Försterei.

    Wie dem auch immer sei, Spranger = SPD = nunmehr kleine Schwester der CDU. Was die Frischvermählten in Berlin alles zurückfahren, was die Linke mühsam geschaffen hatte (Radwege, beruhigte Zonen), ist ja hinreichend bekannt. Brumm brumm braucht halt Platz, wie auch Feinstaub und Smog gefördert werden wollen.

    Wen wundert es da, wenn die hauseigene Betriebsgesellschaft Großevents, unfähiger Weise, organisiert, um dann von den Eintrittsgeldern zu profitieren. Hat die Senatorin doch geschickt gemacht, so finanziert man Nebenhaushalte. Ist ja auch wirklich praktisch, wenn ich als Unternehmer (Betriebsgesellschaft) eine Senatorin am langen Arm habe, die mir die Presse vom Hals hält.



    Dass sich Politiker der Union, oder der kleinen Schwester, heute für nix mehr zu schade sind, ist dann ja auch nicht mehr so neu.

  • Zur Ergänzung empfehle ich "Lass jut sein" von Alexander Osang im "Spiegel" Nr. 23, Seite 53.

  • Mal ehrlich. Wenn 74000 Fans nach Berlin kommen, dann haben die auch Erwartungen. Da kann man nicht einfach so kompetent daher einwandfrei daherorganisieren. Man hätte einen hart erarbeiteten Ruf zu verlieren.



    Und wenn Spieler trotz 16 Stadionkameras sich minutenlang am über die Grasnarbe welzen können, obwohl sie gar nicht gefoult wurden, dann kann man auch trotz hunderter eindeutiger Smartphon-Videos so tun, als ob alles glatt gelaufen ist.

  • ich denke immer kurz, wenn gaebler wieder der öffentlichkeit lügen und unwahrheiten über vertrags- und planungsrecht erzählt, er sei der schlimmste in dem laden. aber spranger toppt echt alles. da könnte so mancher postfaktisch argumentierende rechtsautoritäre demokratieverächter in die lehre gehen. aber: beide arbeiten sie hand in hand weiter an der selbstabschaffung der spd.

    • @Pflasterstrand:

      Zum letzten Satz: Was ja nicht das schlechteste ist.