Chancengleichheit bei Bewerbungen: Leistung ohne Gesicht
Führen Fotos und Namen zu Diskriminierung bei der Jobsuche? Offenbar doch, zeigt ein Pilotprojekt: Anonymisierte Bewerbungen sorgten dabei für mehr Chancengleichheit.
BERLIN taz | So könnte die Bewerbung der Zukunft aussehen: ein Anschreiben ohne Foto, ohne Name, keine Angaben zu Geschlecht und Status. Die Auswertung eines Pilotprojektes der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zeigt, wie mehr Chancengleichheit in die Arbeitswelt einziehen könnte. Ein Jahr lang haben acht Unternehmen die anonymisierten Bewerbungen getestet.
Insgesamt wurden 8.550 anonymisierte Bewerbungen eingesehen. Mal mussten die Bewerbenden ihre Daten in eine Online-Maske eingeben, mal wurde geschwärzt. 1.293 Menschen wurden zu einem Eignungstest oder Vorstellungsgespräch eingeladen, und 249 Personen erhielten daraufhin einen Job – dabei wurden mehr Frauen und Migranten zu Vorstellungsgesprächen eingeladen als bei herkömmlichen Verfahren.
„Anonymisierung wirkt. Sie stellt Chancengleichheit her und macht Bewerbungsverfahren fairer“, sagt Christine Lüders, Leiterin der ADS. Lüders und beruft sich auf das Ergebnis des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), das das Modellprojekt ausgewertet hat.
Das Schaffen von Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt ist nicht nur von gesellschaftlich-politischer Bedeutung. „Durch teils verdeckte, teils ganz offene Benachteiligungen wichtiger gesellschaftlicher Gruppen werden wertvolle Potenziale verschenkt“, sagt IZA-Direktor Klaus Zimmermann. Insbesondere die Ungleichbehandlung von Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und älteren Arbeitnehmern verursache „große volkswirtschaftliche Schäden“. Eine klare Aussage über die Chancen älterer Arbeitssuchender ließe sich allerdings wegen der geringen Teilnehmerzahl nicht treffen, schränkt Zimmermann ein.
Die meisten teilnehmenden Unternehmen hatten bereits vor Beginn des Modellprojekts aktive Maßnahmen zur „Förderung von Vielfalt“ ergriffen. Daher sind die vom IZA ermittelten Effekte des anonymisierten Bewerbungsverfahrens nicht repräsentativ. Dennoch, das Beispiel zieht: Länder wie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz planen weitere Pilotprojekte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern