Champions League: Peinliche Überlegenheit
Im Spiel gegen Inter Mailand ist der FC Barcelona endlich wieder unwiderstehlich. 94.000 Zuschauer genossen die Wiederkehr der Barça-Elf.
BARCELONA taz | Am Ende des Abends erlaubte Inter Mailands Trainer José Mourinho seinem Stürmer Samuel Etoo, zum FC Barcelona zu wechseln. Durch die Gänge des Stadions Camp Nou gingen Inters Spieler zum Mannschaftsbus und ihr Star in die andere Richtung in Barças Umkleidekabine. Der Bus fuhr ab, Etoo blieb. Fünf Jahre war er ein integraler Teil Barças gewesen, ehe ihn Trainer Pep Guardiola im Sommer nach Mailand weglobte. Nun durfte er allein unter Siegern nach dem Champions-League-Spiel als Gast in der falschen Umkleidekabine für ein paar Minuten wieder zu Barças Elf gehören. Zuvor genossen 94.000 Zuschauer die Wiederkehr des unwiderstehlichen Barça des Vorjahres.
Eine Partie, die als Drama angekündigt war, weil dem Titelverteidiger bereits in der Vorrunde das Ende drohte, wurde zum Spektakel. Barças Pässe bildeten eine Melodie, ihre vollständige Dominanz über den italienischen Meister war fast schon peinlich. Nach dem 2:0-Sieg durch Tore von Gerard Piqué und Pedro Rodríguez reicht Barça auch eine Niederlage mit einem Tor am letzten Spieltag in Kiew, um das Achtelfinale zu erreichen. Das Entzücken war noch greifbar, als Trainer Guardiola auftrat und erklärte, eher gewinne Stuttgart die Champions League als Barça. "Von allen Teams sind wir der geringste Favorit", sagte er. Seit es die Champions League gibt, hat kein Sieger seinen Titel verteidigen können.
Barça hat in den jüngsten Wochen voller Unentschieden erkennen lassen, dass auch dieses Meisterteam im Jahr danach seine Probleme bekommt. Umso ergreifender war die Schau vom Dienstag. Sie belohnte Guardiola für seine Courage, zu Saisonbeginn Barças Spielkonzept zu ändern. Alles zu lassen, hieße zu stagnieren, selbst wenn alles gut war, glaubte er, und ersetzte Etoo, einen Stürmer mit dem Touch eines Spielmachers, durch den wuchtigen Zlatan Ibrahimovic.
Gegen Inter verzichtete er auf Barças angeschlagene Medienfiguren Ibrahimovic und Lionel Messi, das hob den Mut zur Änderung noch heraus. Das Spielsystem mit drei passstarken Stürmern gilt als Dogma dieses Klubs, doch diesmal bot Guardiola Andrés Iniesta als falschen Rechtsaußen auf. Iniesta schlüpfte überall in Lücken, suchte die Nähe zum Ball und schuf so ständig Überzahlsituationen. Fabelhaft ist ein geringes Lob für seinen Auftritt. Auf Linksaußen wirbelte unterdessen Pedro Rodríguez. Er ist mit seinen scharfen Flanken und Schüssen für die neue Wucht in Barcelonas Angriff mitverantwortlich. "Mit Pedro bis ans Ende der Welt!", sagt deshalb Assistenztrainer Tito Vilanova.
Sein Chef Guardiola ist sich dennoch bewusst, "das Logischste wäre, wenn wir dieses Jahr in allen Vergleichen mit dem Vorjahr schlechter aussehen" - schlicht weil die letzte Saison so einzigartig war.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt