Champions-League-Seriensieger Madrid: Allseits abgezockt
Real Madrid nutzt Chancen mit gnadenloser Effizienz und hat in Carlo Ancelotti einen Coach, der Egos zu bändigen vermag.
Es war eine besondere Nacht für Ancelotti, eine Nacht, in der er zum alleinigen Rekordhalter für die meisten Champions-League-Siege als Trainer aufstieg. Mit vier Erfolgen steht er jetzt vor Bob Paisley, der mit dem FC Liverpool dreimal den alten “European Cup“ gewann, und vor Zinedine Zidane, der Real Madrid zwischen 2016 und 2018 dreimal nacheinander auf den kontinentalen Thron gehievt hatte.
Dass Ancelotti seine vier Pokale mit zwei verschiedenen Klubs holte, nämlich mit dem AC Mailand und Real, und dass zwischen dem ersten (2003) und dem jüngsten Triumph (2022) fast zwei Jahrzehnte liegen, spricht für die universelle Klasse und die Langlebigkeit seiner Trainerkunst. Das wird man auch beim FC Bayern anerkennen müssen, wo Ancelotti einst als Nachfolger von Pep Guardiola nach nur 15 Monaten entlassen worden war, im Anschluss an eine Niederlage in Paris, bei PSG.
Ancelotti gilt als Dompteur der Super-Egos, der dem Zirkus des Spitzenfußballs mit Gelassenheit und hochgezogener Augenbraue begegnet. Toni Kroos, der als einer von neun Real-Profis gegen Liverpool seinen fünften Champions-League-Titel feierte, gab nach dem Finale zuerst einem ZDF-Reporter eine Abfuhr („Zwei so Scheißfragen“) und sodann einen Einblick in das Leben unter dem Italiener: “Man kann sagen, dass Carlo es wie kein Zweiter versteht, eine Gruppe zu managen und hinter sich zu bringen. Manchmal sind Freiheiten auf dem Platz genau so wichtig wie alles im kleinsten Detail zu planen“, sagte Kroos spät in der Nacht, als er im Trikot und mit schwarzem Sakko das Stadion verließ.
Dritte Finalniederlage für Klopp
Real hatte gegen Liverpool wieder einmal getan, was Real immer getan hat in dieser Champions-League-Saison. Die Mannschaft störte sich nicht an ihrer Unterlegenheit, sondern wartete auf ihre Chance und schlug mit brutaler Effizienz zu. Hinten war Torwart Thibaut Courtois mit einer überragenden Leistung dafür verantwortlich, dass keiner der vielen Liverpool-Schüsse ins Ziel fand, und vorne nutzte Vinícius Júnior die einzige Real-Chance nach einer knappen Stunde zum Siegtreffer.
Nach ähnlichem Muster hatten sich die Spanier auf erstaunliche Weise durch den Wettbewerb navigiert in dieser Saison. Im Achtelfinale gegen PSG, im Viertelfinale gegen Vorjahressieger Chelsea und im Halbfinale gegen Manchester City stand die Mannschaft jeweils knapp vorm Aus und kam trotzdem immer weiter dank maximaler Cleverness. “Real ist am tödlichsten, wenn es am meisten darauf ankommt“, musste der Telegraph anerkennen.
Auch Jürgen Klopp erklärte den Ausgang des Finals damit, dass den Spaniern gelungen war, was Liverpool verpasst hatte: „Sie haben getroffen, wir nicht. Das ist der Unterschied zwischen Sieg und Niederlage.“ Vorwürfe wollte der Trainer seinem Team nicht machen. Bis vor Kurzem hatte Liverpool die Aussicht auf eine monumentale Leistung, auf das „Quadruple“ mit vier Titeln. Doch nach dem letzten Abpfiff der Spielzeit kann die Mannschaft nur zwei Trophäen vorzeigen, nämlich den englischen Ligapokal und den FA-Cup.
Die Meister-Entscheidung in der Premier League fiel am letzten Spieltag zugunsten von Manchester City, und in der Champions League musste Klopp seine dritte Final-Niederlage nach 2013 (mit Dortmund gegen Bayern) und 2018 (mit Liverpool gegen Real) hinnehmen. Er berichtete, in der Kabine eine betrübte Mannschaft vorgefunden zu haben, gab aber gleich wieder das Endspiel im kommenden Jahr in Istanbul als Ziel aus. „We will go again!“, kündigte er an. Wir werden es wieder versuchen! Daran besteht kein Zweifel. Klopp hat eine der besten Mannschaften in der Geschichte des FC Liverpool geschaffen. So abgeklärt wie Real Madrid ist sie noch nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe