Cem Özdemir will kandidieren: Grüne vor Machtkampf um Parteivorsitz

Bei den Grünen zeichnet sich ein Kampf um das Parteichef-Amt ab: Der Baden-Württemberger EU-Parlamentarier Özdemir und der Berliner Ratzmann wollen kandidieren.

Hat sich von den Realos kneten lassen: Cem Özdemir Bild: ap

Erst hatten die grünen Realos keinen Kandidaten, jetzt haben sie offenbar deren zwei: Cem Özdemir, Europaparlamentarier aus Baden-Württemberg, kandidiert für das Amt des Grünen-Bundesvorsitzenden. Dies wurde am Montag zunächst von allen möglichen Grünen verkündet, bevor Özdemir sich selbst dazu bekannte. Einem Onlineportal sagte er: "Wenn die Partei das möchte, dann stehe ich zur Verfügung."

Und auch Volker Ratzmann, Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, sagte der taz am Montag: "Mein Interesse am Amt schwindet nicht, weil sich jemand anderes darum bewirbt." Doch werde er noch einige Gespräche führen müssen, bevor er sich offiziell zur Kandidatur bereitstelle. Ob es also auf eine Kampfabstimmung im November in Erfurt hinauslaufe, könne er noch nicht sagen.

Özdemir hatte sich über Wochen von einer Gruppe Realos kneten lassen, die lieber ihn als Ratzmann als Nachfolger von Reinhard Bütikofer sähen. Bütikofer hatte vor drei Monaten seinen Rückzug angekündigt und damit beträchtlichen Wirrwarr im für die Neubesetzung zuständigen Realoflügel der Partei ausgelöst. Denn zwar verfügt das rechte Grünen-Lager über viele ehrgeizige, auch jüngere Politikerinnen und Politiker - doch sind die just alle in Amt oder Familie eingebunden. Der Linken-Flügel stellte unterdes in aller Ruhe Claudia Roth erneut als Kokandidatin für den Bundesvorsitz auf.

Die sächsische Fraktionschefin Antje Hermenau sagte der taz: "Cem ist unser Kandidat." Der 43-Jährige, erklärte Hermenau, "strahlt eine schöne Weltläufigkeit aus, sein Auftritt ist urban und modern." Neben Özdemir würden weitere Neubesetzungen im sechsköpfigen Bundesvorstand angestrebt.

Hermenau, der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer, der hessische Fraktions- und Parteichef Tarek Al-Wazir und die Hamburger Senatorin Anja Hajduk stehen für einen flügelinternen "Kommunikationszusammenhang", der laut Hermenau "zehn bis fünfzig Leute" vertritt.

"Keiner hat hier etwas gegen Ratzmann", sagte Hermenau. "Aber wir haben uns schon daran gestört, dass eine noch nicht einmal gewählte Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl sich ihren Kandidaten selber aussucht." Damit griff Hermenau Renate Künast an, die gerade öffentlich erklärt hatte, sie unterstütze Ratzmann - was freilich kein Geheimnis war, denn der 48-Jährige gilt als ihr Ziehkind.

Nachdem Ratzmann zunächst in der Offensive war, Özdemir dagegen über Wochen vorgehalten wurde, er laviere bloß herum, ist nun wieder der Berliner in Bedrängnis. Denn an ihm hängt es nun, ob es auf dem Parteitag eine Kampfabstimmung gibt. Damit aber würden die Realos faktisch dem linken Flügel die Entscheidung über ihren Spitzenmann überlassen. Schließlich stimmen alle Delegierten über die beiden Parteichefs ab, und wenn ein Flügel gespalten ist, bekommt der andere Gewicht. "Die Realos sind zur Zeit wirklich blöde", stöhnte eine Reala über dieses Problem. "Eine Kampfkandidatur ist alles andere als ein Highlight."

Arndt Klocke, Chef des größten Landesverbands Nordrhein-Westfalen, findet eine Kampfabstimmung nicht schlimm: "Warum sollte man der Basis nicht das Votum überlassen? Ich fahre ja als Grüner zum Parteitag, nicht als Realo."

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