: Castro: „Moderne Pfändung“
■ Der Maximo Lider über die Schuldenkrise, mögliche Lösungen und revolutionäre Perspektiven
Berlin (taz)Der kubanische Staatschef Fidel Castro hat sich anläßlich der Weltwährungstagung in Berlin mit scharfen Worten für die sofortige Annulierung aller Schulden der Dritten Welt ausgesprochen. In einem ausführlichen Interview der heute erscheinenden Ausgabe der Kulturzeitschrift „Lettre International“ betonte Castro, daß es „keine andere Alternative“ gebe: „Alles, was von 1985 bis heute geschehen ist, bestätigt nur, daß die Schuld unbezahlbar und weder einzutreiben ist noch sein wird“. Auf die Unterscheidung in legitime und illegitime Schulden will sich Castro erst garnicht einlassen: „Das wirklich Illegitime in diesem Fall ist zweifellos die immer noch vorherrschende ungerechte Wirtschaftsordnung.“
Unter den Gläubigern macht Castro Unterschiede zwischen ganz böse und weniger böse: „Es wäre ungerecht“, alle Gläubigerländer „in gleicher Weise zu kritisieren“. Eine „enorme Verantwortung für die Schuldenkrise“ hätten die USA. „Realistischere und für die Belange der Dritten Welt empfänglichere Positionen“ hätten europäische Länder, vor allem Skandinavien und Frankreich.
Die Schuldenlösungsmodelle, die auf eine Umwandlung der Kredite in Kapitalbeteiligungen in den Schuldnerländern hinauslaufen, bezeichnet Castro in dem „Lettre„-Interview als „moderne Version der Pfändung unserer schwindenden Reichtümer“. Castro deutet auch die Möglichkeit eines Schuldnerkartells an: „Eine Bedingung, um die Verhandlungsposition und die Initiative der unterentwickelten Welt zu stärken, war und wird vereintes Handeln sein, das den Gläubigerländern nicht mehr erlaubt, sich zu vereinen, koordiniert gegen uns zu agieren und Uneinigkeit in unsere Linien zu tragen“. Dafür habe man allerdings schon „mehrere Gelegenheiten verpaßt“. Castro sieht allerdings auch weitergehende Perspektiven :„Die objektiven Voraussetzungen für eine soziale Revolution sind im Entstehen begriffen“.
Die derzeitige Entwicklung in der Abrüstung bieten nach Castro eine Chance zur Lösung der Schuldenkrise. „Letztlich scheint es, als ob sich günstige Bedingungen für eine Reduzierung der Militärausgaben herausbilden, wodurch die erforderlichen Mittel für eine Lösung der Schuldenkrise eher verfügbar wären.“
ulk
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