■ Cash und Crash: Spekulieren mit Erdbeben
Hamburg (taz) – Versicherungsunternehmen leben prachtvoll – von Katastrophen aller Art, vom Fahrradklau bis zum Todesfall. Jedenfalls indirekt. Denn gegen ihre diversen Daseinsängste werden Bundesbürger und Wirtschaft in diesem Jahr etwa 250 Milliarden Mark in die Kassen der Assekuranz einzahlen. Manches Risiko droht jedoch selbst den Sicherheitsverkäufern aus dem Ruder zu laufen, etwa die Naturkatastrophen. So erschüttert das Erdbeben in der Türkei auch einige internationale Versicherungen. Die Forderungen an sie könnten nach ersten Schätzungen etwa neun Milliarden Dollar betragen. Dabei kamen die Neunziger Jahre die Assekuranz ohnehin teuer. So schätzt die Münchner Rückversicherung, dass die Anzahl großer Naturkatastrophen im Vergleich mit den Sechzigern auf das Dreifache angestiegen ist und die versicherten Schäden sogar auf das Fünfzehnfache! Hauptgründe für den Anstieg sind die zunehmende Versicherungsdichte sowie die Konzentration von Bevölkerung und Sachwerten in Ballungsräumen, die zudem häufig in „Hochrisikogebieten“ liegen. So traf das jüngste Erdbeben vorrangig den türkischen Industriegürtel.
Versicherer stoßen bei solchen Dramen natürlich an ihre Finanzgrenzen: Die Eigenmittel der weltweiten Assekuranz werden lediglich auf 0,5 Billionen Dollar taxiert. Dieses Kapital wäre aber bereits verbraucht, wenn lediglich in San Francisco die Erde bebt und gleichzeitig ein Hurrican über Florida hinwegrast. Abhilfe versprach nur der viel größere globale Kapitalmarkt über mehr als 40 Billionen US-Dollar. Assekuranzmanager erfanden daher die „Katastrophenanleihe“. Sie soll helfen, die eigenen finanziellen Risiken besser abzusichern. Die Käufer solcher „Catastrophe Bonds“ – kurz: Cat Bonds – kassieren einen hohen Zinssatz, bis zu sechs Prozent über dem üblichen Marktzins. Dafür ist das Wagnis sehr hoch. Nehmen Überschwemmungen, Lawinen oder Feuersbrünste überhand, wird abgezinst, im schlimmsten Fall ist das eingesetzte Kapital futsch.
Die globale Pionierarbeit hat die Rückversicherung in Hannover geleistet: Sie plazierte 1994 erstmals einen Cat Bonds. Inzwischen werden viele Katastrophenanleihen an der New Yorker Börse gehandelt. Und die Cat-Bonds-Zukunft scheint gesichert: „Der Fantasie sind vom Erdbeben bis zum Vulkanausbruch keine Grenzen gesetzt“, freut sich der Mannheimer Wirtschaftsforscher Friedrich Heinemann. So bietet die Schweizer Winterthur einen Cat Bonds für Autofreunde: Wenn durch Hagelschlag über 6.000 versicherte Wagen beschädigt werden, verlieren die Investoren ihr Kapital.
Hermannus Pfeiffer
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