■ Cash & Crash: Wahnsinnsgewinner
Wie soll man auf so etwas bloß reagieren? Der Regierungswechsel 1979, der Verfall der Immobilienpreise Ende der achtziger Jahre – alles Ereignisse, die man kalkulieren kann. Aber was macht die Börse beim Rinderwahn BSE?
Erst mal wenig. Zwar ist der Sterling Ende vergangener Woche um anderthalb Pfennig gefallen. Aber das hatte weniger mit den zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen des Rinderwahns als mit den zu erwartenden politischen Folgen für die Tory-Regierung zu tun. Auf die Inflationsrate wird BSE kaum Einfluß haben, denn der sinkende Rindfleischpreis wird durch steigende Preise bei Molkereiprodukten absorbiert.
Anders sieht es bei der Handelsbilanz aus: Der Zusammenbruch des britischen Rindfleischmarktes wird nach vorsichtigen Schätzungen fünf Milliarden Pfund kosten. Bei einem Bruttoinlandsprodukt von mehr als 700 Milliarden Pfund ist das aber kurzfristig verkraftbar. Erst wenn die Krise Jahre andauert und auch die Molkereiwirtschaft stärker in Mitleidenschaft gezogen wird, ist eine Zinserhöhung unvermeidlich.
Des einen Leid, des anderen Freud: Während die Aktien von Molkereibetrieben wie Unigate und Lebensmittelunternehmen wie Northern Foods um rund acht Prozent sanken, sind die Geflügelpreise am Wochenende in Großbritannien um zwölf Prozent gestiegen. Das größte Unternehmen in dieser Branche, Bernard Matthews, legte an der Börse um sechs Pence auf 1,22 Pfund zu. Die Supermärkte sind bisher unbeschadet davongekommen. Sie konnten die Verluste bei Rindfleisch durch erhöhten Absatz von Lamm, Schwein, Fisch und Geflügel ausgleichen. Fertiggerichte, die Rindfleisch enthalten, sind merkwürdigerweise von der BSE-Krise bisher verschont worden. Sollten sie demnächst aber auch in den Regalen liegenbleiben, müssen die Supermärkte mit sinkenden Aktien rechnen. Am meisten profitierte die Firma Electrophoretics: Sie hat einen Exklusivvertrag mit dem Landwirtschaftsministerium, um einen Schnelltest für BSE zu entwickeln. Ihre Aktien stiegen seit Donnerstag um 40 Prozent. Ralf Sotscheck
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