Carl-Bolle-Grundschule in Berlin: Doch kein Mobbing?
Die Bildungssenatorin sieht keine homophobe Diskriminierung von einem Grundschullehrer. Der Fall sei sehr komplex, sagte sie im Bildungsausschuss.

Es gebe eine „deutliche Diskrepanz zwischen dem in den Medien erhobenen Vorwurf“ und dem Fall, wie er sich in den Akten darstelle, sagte sie. „Ich habe mich in den letzten Tagen dazu in Kenntnis gesetzt“, so Günther-Wünsch. Erstmals von dem Vorwurf habe sie persönlich im Dezember erfahren. Sie schlug den Parlamentarier*innen vor, Akteneinsicht zu nehmen.
Die Süddeutsche Zeitung hatte vor gut zwei Wochen berichtet, dass ein an der Schule als pädagogische Unterrichtshilfe eingestellter 43-Jähriger monatelang von Schüler*innen homophob beschimpft, beleidigt und gemobbt worden sein soll. Nach seinen Angaben habe das Mobbing begonnen, nachdem er vor rund zwei Jahren seinen Schüler*innen offenbart hatte, dass er schwul sei und mit einem Mann zusammenlebe. Er sagte auch, dass er weder bei der Schulleitung noch bei der Schulaufsicht des Bezirks Unterstützung bekommen habe.
Die Grünen hatten daraufhin kritisiert, dass die internen Beschwerdestrukturen versagt hätten und eine unabhängige Beschwerdestelle gefordert. Auch diese Forderung wies die Senatorin von sich. Der Rechtsbeistand des Lehrers hätte sich über drei Wege an drei verschiedene Stellen gewandt und von allen eine Antwort bekommen.
Sparen bei queeren Bildungsprojekten
„Dieser Lehrkraft wurde nicht geholfen“, widersprach Louis Krüger, bildungspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, in seiner Nachfrage. Denn seine Situation habe sich nicht verbessert, obwohl er sich an mehrere Stellen gewandt hatte.
Krüger kritisierte außerdem, dass die Bildungsverwaltung Fälle von Queerfeindlichkeit und Antisemitismus an Schulen nicht systematisch erfasse und außerdem zuletzt massiv gekürzt hatte, auch bei außerschulischen Bildungsprojekten, die mit Schüler*innen zu queeren Themen arbeiten. Die Bildungspolitiker kritisierten auch, dass die Senatorin sich nach eigener Aussage in den vergangenen Tagen umfänglich zu dem Fall informiert habe. Das hätte sie schon viel früher machen können.
Günther-Wünsch wiederum warf den Grünen vor, „einen komplexen Fall“ nun „populistisch auszunutzen“ und unnötig zu „skandalisieren“. Sie sei bereit, sich das „Dickicht“ der Beschwerdestrukturen anzusehen und es gegebenenfalls zu reformieren. Sie wies außerdem darauf hin, dass sie im vergangenen Jahr die Positionen für eine Antidiskriminierungbeauftragte und eine Antimobbingbeauftragte an der Bildungsverwaltung eingerichtet habe.
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