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Carl-Bolle-Grundschule in BerlinDoch kein Mobbing?

Die Bildungssenatorin sieht keine homophobe Diskriminierung von einem Grundschullehrer. Der Fall sei sehr komplex, sagte sie im Bildungsausschuss.

Berlins Bildungssenatorin hat sich durch viele Akten gelesen – und keine relevanten Hinweise auf homophobe Anfeindungen gefunden Foto: Fabian Sommer / dpa

Berlin taz | Die Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) weist den Vorwurf zurück, dass an der Carl-Bolle-Grundschule ein schwuler Lehrer gemobbt worden sein soll. Dies sagte sie auf eine Nachfrage des SPD-Bildungspolitikers Marcel Hopp am Donnerstag im Bildungsausschuss. Die Grünen hatten eine ähnliche Frage für die aktuelle Viertelstunde eingereicht.

Es gebe eine „deutliche Diskrepanz zwischen dem in den Medien erhobenen Vorwurf“ und dem Fall, wie er sich in den Akten darstelle, sagte sie. „Ich habe mich in den letzten Tagen dazu in Kenntnis gesetzt“, so Günther-Wünsch. Erstmals von dem Vorwurf habe sie persönlich im Dezember erfahren. Sie schlug den Par­la­men­ta­rie­r*in­nen vor, Akteneinsicht zu nehmen.

Die Süddeutsche Zeitung hatte vor gut zwei Wochen berichtet, dass ein an der Schule als pädagogische Unterrichtshilfe eingestellter 43-Jähriger monatelang von Schü­le­r*in­nen homophob beschimpft, beleidigt und gemobbt worden sein soll. Nach seinen Angaben habe das Mobbing begonnen, nachdem er vor rund zwei Jahren seinen Schü­le­r*in­nen offenbart hatte, dass er schwul sei und mit einem Mann zusammenlebe. Er sagte auch, dass er weder bei der Schulleitung noch bei der Schulaufsicht des Bezirks Unterstützung bekommen habe.

Die Grünen hatten daraufhin kritisiert, dass die internen Beschwerdestrukturen versagt hätten und eine unabhängige Beschwerdestelle gefordert. Auch diese Forderung wies die Senatorin von sich. Der Rechtsbeistand des Lehrers hätte sich über drei Wege an drei verschiedene Stellen gewandt und von allen eine Antwort bekommen.

Sparen bei queeren Bildungsprojekten

„Dieser Lehrkraft wurde nicht geholfen“, widersprach Louis Krüger, bildungspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, in seiner Nachfrage. Denn seine Situation habe sich nicht verbessert, obwohl er sich an mehrere Stellen gewandt hatte.

Krüger kritisierte außerdem, dass die Bildungsverwaltung Fälle von Queerfeindlichkeit und Antisemitismus an Schulen nicht systematisch erfasse und außerdem zuletzt massiv gekürzt hatte, auch bei außerschulischen Bildungsprojekten, die mit Schü­le­r*in­nen zu queeren Themen arbeiten. Die Bildungspolitiker kritisierten auch, dass die Senatorin sich nach eigener Aussage in den vergangenen Tagen umfänglich zu dem Fall informiert habe. Das hätte sie schon viel früher machen können.

Günther-Wünsch wiederum warf den Grünen vor, „einen komplexen Fall“ nun „populistisch auszunutzen“ und unnötig zu „skandalisieren“. Sie sei bereit, sich das „Dickicht“ der Beschwerdestrukturen anzusehen und es gegebenenfalls zu reformieren. Sie wies außerdem darauf hin, dass sie im vergangenen Jahr die Positionen für eine Antidiskriminierungbeauftragte und eine Antimobbingbeauftragte an der Bildungsverwaltung eingerichtet habe.

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4 Kommentare

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  • Typisch Senat Wegner, Realitätsverweigerung! Da die gemobbte Lehrkraft keine Unterstützung von der Schulleitung erhalten hat, hat die Schulleitung auch nichts in den Akten vermerkt. Vielleicht sollte Frau Günther Wünsch mal an die Akten des Queer Beauftragten des Senats schauen...

    Es ist wirklich unglaublich was in der Berliner Hauptverwaltung abgeht!

  • Der Fall klingt von außen betrachtet nach irgendwas zwischen bewusster Provokation und fahrlässiger Begehung. Warum muss eine nicht fachliche Unterrichtshilfe an einer Grundschule (insbesondere mit einem hohen Anteil muslimischer Schüler) die Homosexualität offen legen? Die Reaktionen der Schüler sind unschön jedoch erwartbar. Erwartbar ist insoweit auch, dass das Ganze im Kollegium auf wenig Gegenliebe stößt.

    Was sollte nun eine Antidiskriminierungsbeauftrage oder Senatorin damit machen. Irgendwelche Schulprojekte ohne Einbindung der Eltern sind sinnlos. Irgendwelche Bestrafungen von Schülern gleichfalls.

    Insgesamt scheint die Reaktion der Senatorin angemessen, zumindest soweit die Aussagen richtig sein sollten. Insoweit gehen jedoch die Aussagen auseinander und irgendeine Seite lügt (entweder die Senatorin oder die Unterrichtshilfe).

    • @DiMa:

      Die Formulierung, das Offenlegen von Homosexualität sei „fahrlässig“ oder gar „provokativ“, ist unangemessen. Sichtbarkeit ist kein Fehlverhalten, sondern Teil eines offenen und diversen Schullebens. Dass Schüler*innen ablehnend reagieren, ist kein Argument gegen Offenheit, sondern für bessere Aufklärung. Lehrkräfte berichten, dass es früher Workshops und Anlaufstellen gegen Diskriminierung gab – diese wurden jedoch unter der neuen Schulleitung gestrichen. Wer Vielfalt unterdrückt statt pädagogisch zu begleiten, verschärft Konflikte statt sie zu lösen. Schule muss ein sicherer Ort für alle sein – unabhängig von Herkunft oder sexueller Orientierung.

      • @Benjamin Mertens:

        In der Theorie mag das stimmen nur scheitert das dann an den praktischen Gegebenheiten. Dabei sind die Kinder nicht das Problem, sondern deren Eltern. Insoweit bringt eine solche Sichtbarkeit bei Grundschülern unter solchen Voraussetzungen nur Nachteile.

        Ich bin voll und ganz für Aufklärung, nur sollte diese dann auch von fachlichen Lehrern im Rahmen der Lehrpläne in den jeweiligen Altersstufen stattfinden und nicht erzwungen werden.

        Offenheit sollte daher nicht die höchste Priorität haben. An der Grundschule sollte es vorrangig um die Grundlagen von Rechnen und Schreiben gehen. Da gibt es bereits genug Defizite.