piwik no script img

Cannes CannesLars von Trier, Persona non grata

Cristina Nord
Kolumne
von Cristina Nord

Nach seinen provozierenden Äußerungen über Hitler erklärte das Filmfestival in Cannes den Regisseur Lars von Trier nun zur "unerwünschten Person".

Was faselt der Mann da? Etwas von einer "Endlösung mit Journalisten"? Bild: dpa

L ars von Trier hat ein erstaunliches Talent, sich in der Öffentlichkeit zum Idioten zu machen. Nachdem sein Wettbewerbsbeitrag "Melancholia" am Mittwoch den Journalisten gezeigt worden war, redete er bei der Pressekonferenz wirrer denn je.

Anfangs freuten sich viele der Anwesenden über die Bösartigkeiten, die er von sich gab. Immer wieder wurde laut gelacht. Über Kirsten Dunst, die im Film eine depressive Figur spielt und auf dem Podium links neben von Trier saß, sagte der dänische Regisseur, sie wisse, was Depressionen seien. "Oder hätte ich das jetzt nicht sagen sollen? Falls nicht: Vergessen Sie's schnell!"

Dunst setzte der Indiskretion ein breites Lächeln entgegen, doch wenig später, als von Trier begann, über sein nächstes Projekt zu plaudern, fror ihr Gesicht für Augenblicke ein. Angeblich handelt es sich um einen mehrstündigen Porno, Dunst spiele darin eine Hauptrolle, ihr stehe der Sinn nach einem "echten Hardcore-Film" - "Wir wollen eine Menge unangenehmen Sex auf der Leinwand zeigen."

Gegen Ende der knapp 40-minütigen Pressekonferenz fragte eine Journalistin aus London von Trier nach den Einflüssen nationalsozialistischer Ästhetik auf sein Filmwerk. "Ich dachte lange Zeit, ich sei Jude", antwortete von Trier, "aber dann fand ich heraus, dass ich ein Nazi bin, denn meine Familie war deutsch, Hartmann, das bereitete mir dann aber auch Vergnügen."

Dass Kirsten Dunst kurz nach seinem Arm griff, als wolle sie ihn schütteln, hinderte von Trier nicht daran weiterzureden. "Was soll ich sagen, ich verstehe Hitler." Er sei zwar alles andere als ein "guter Kerl", aber: "Ich sympathisiere ein bisschen mit ihm, ja." Der Zweite Weltkrieg sei selbstverständlich nicht gut gewesen, und: "Ich habe nichts gegen Juden, nur gegen Susanne Bier" (Bier ist eine dänische Filmemacherin). Israel freilich nerve.

"Endlösung mit Journalisten"

Als von Trier merkte, wie sehr er sich verhaspelte, seufzte er: "Wie komme ich hier nur wieder raus?" - und sagte dann: "Okay, ich bin ein Nazi." Ganz am Ende brummelte er noch etwas von einer "Endlösung mit Journalisten".

Die Leitung des Festivals hat darauf am Mittwochabend mit einer knappen Erklärung reagiert: Man sei "verstört von den Aussagen, die Lars von Trier bei der Pressekonferenz" gemacht hat. "Der Regisseur sagt, er habe sich zu einer Provokation anstacheln lassen, und er hat sich entschuldigt." Das Festival hat diese Entschuldigung zwar anerkannt, betonte aber zugleich, Äußerungen dieser Art und zu diesem Thema kein Forum zu bieten.

In der Donnerstagsausgabe der französischen Tageszeitung "Libération" war über die Ausfälle von Triers nicht viel zu lesen, nur der bedauernde Satz, dass die Dummheit des Regisseurs den Blick auf den Film verstelle. Es wäre in der Tat dumm, schöben sich von Triers Dummheiten vor sein Oeuvre. Das heißt nicht, dass "Melancholia" ein großer Wurf wäre, im Gegenteil, es ist einer der schwächeren Filme Lars von Triers. Nur: Wer auf die Provokation eingeht, sie für bare Münze nimmt, sie gar empörend findet, tut genau das, worauf der Regisseur mit seinem Bullshit-Diskurs hinauswill: er gibt dem Stänkerer Aufmerksamkeit.

Vor zwei Jahren sprach von Trier am selben Ort stotternd über seinen damaligen Wettbewerbsfilm "Antichrist", über seine Depressionen und sein Saufen. Wer sich daran erinnert, mag versucht sein, die Äußerungen vom Mittwoch im Zusammenhang mit der psychischen Störung zu sehen. Aber das wäre nichts anderes als eine unzulässige Ferndiagnose.

Hatte das Festival Triers Äußerungen zunächst kühl, aber gelassen zurückgewiesen, verschärfte es gestern dann doch den Ton und griff zur drastischen Maßnahmen. Die jüngsten Kommentare des Filmemachers, heißt es in einer Erklärung, seien "nicht akzeptabel, nicht tolerierbar und stehen im Gegensatz zu den Idealen der Humanität und Großzügigkeit" des Festivals. Die Organisatoren verurteilten die Aussagen aufs Schärfste und erklärten von Trier für das derzeit laufende Festival "mit sofortiger Wirkung zur Persona non grata". Einige Filmverleihe kündigten bereits an, seinen neuen Film nicht zeigen zu wollen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Cristina Nord
Kulturredakteurin
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • MD
    Michael Dorschel

    Egal, was für einen Humor ein Mensch hat, egal, ob er sonst verletzend gegenüber anderen Menschen ist (oder so tut) oder sonstwie taktlos ist. Jeder kann solche Äußerungen aufnehmen, wie er will.

     

    Aber wenn einer sagt, dass er ein Nazi sein (einer jener Leute, die die Menschenrechte mit Füßen treten und entgegen des Filmfestivals mit friedlicher Internationalität nichts am Hut haben), dann ist sein Blick mehr als vernebelt. Vergleichbar wäre es, als hätte er gesagt: "Ja, ich bin ein Pädaophiler." Und ob über so eine Äußerung die Öffentlichkeit ähnlich kontrovers diskutiert hätte, sein dahingestellt.

     

    Ich finde die Reaktion der Festivalleitung mutig und richtig. Damit setzen sie ein Zeichen. Hätten Sie nicht so reagiert, hätten sie auch ein Zeichen gesetzt - aber definitv in die falsche Richtung. Nazis, deren Sympatisanten oder Menschen, die den Ernst der Lage nicht erkennen oder verklären sollten nirgendwo in der Gesellschaft geduldet werden.

     

    Und das gilt auch für Leute, die seit Urzeiten mit dem Festival verbunden sind, und die sich gern mit Skandalen schmücken. Es gibt eine Grenze, die ist mit einem (auch scherzhaften) Bekenntnis zum Nationalsozialismus (der immer noch in grausamer Form existiert!) überschritten. Gerade ein Mensch wie Lars von Trier, der meines Erachtens kein ungebildeter Mensch ist, muss erkennen, dass, wenn es wieder möglich ist, Scherze in dieser Richtung zu machen (und das von der Festivalleitung toleriert werden würde) auch möglich ist, dass man versucht, das Gute aus der NS-Zeit herauszufiltern und damit eine neue, bessere NS-Zeit heute anzustreben.

     

    Und das darf nicht passieren, und muss in den Köpfen aller verankert sein. Und wenn eine Persönlichkeit wie dieser Regisseur mit solchen Äußerungen ungeschoren bleiben würde - was wäre das für ein Signal an all die dahergelaufenen Sympatisanten der Nationalsozialisten in unseren Städten und Dörfern?

  • H
    harry

    Das ganze Filmgeschäft ist ja schliesslich auch sehr militaristisch strukturiert. das vokabular ist eindeutig. man redet beispielsweise nicht vom "team" "sondern vom "stab". der regisseur hat eine absolute führungsrolle und ist wie im richtigen leben nur von seinen geldgebern abhängig. wir sind vor der "heiligen nutte" gewarnt.

  • JH
    Josephine Helleken

    Wenn ich mir Kirsten Dunst genau ansehe, sieht sie aus wie ertappt. Ich denke, Lars von Trier hat sie zitiert und wollte ihr vor Augen führen, was sie für einen Bullshit von sich gegeben hat, vermutlich während der Dreharbeiten. Er redet ja zu ihr gewandt und nicht zu den Journalisten. Wenn es so wäre, gälte die Schelte nun ihr und nicht von Trier.Und sie könnte ihn erlösen. Aber das ist wahrscheinlich nicht nötig.

  • DB
    Detlev Beutner

    Man muss ihn nicht mögen. Geht klar. Man muss seinen Humor nicht teilen. Geht auch klar. Man kann seinen Humor sogar für grenzwertig halten, und dafür kann man sogar Argumente anführen, was Christina Nord insofern tut, als dass sie auf die in meinen Augen wirklich problematischeren Passagen (das Bloßstellen einiger seiner Leute am Pult) eingeht. Geht alles klar. Aber den Blick dafür zu verlieren, /dass/ es sich unzweifelhaft um (die von-Trier'sche Version meinethalben von) Humor handelt, das ist schon etwas arm. Und wenn man geifert, und leider lässt sich auch Christina Nord auf dieses Niveau herab, ist es um so peinlicher, wenn man "I sympathize with him a little bit" mit "Ich sympathisiere ein bisschen mit ihm, ja." (Auch wenn das Wort das gleiche ist, so hat es im Deutschen einen eindeutig positiven Bezug ("finde ich gut"), im Englischen aber einen Ausdruck der Empathie, was auch die sprachlich korrekte Bedeutung ist).

     

    Ein bisschen mehr Entspannung, bitte. Und die ganze Pressekonferenz anschauen - man mag ihn da blöd finden und taktlos, siehe oben. Aber wenn man mit ihm arbeitet, dann erwarte ich auch, dass man sich etwas über ihn und seinen Humor informiert. Kirsten Dunst hat da wohl etwas Nachholbedarf, während Charlotte Gainsbourg wohl eher zu meiner Empfindung neigte: Komplettes Verständnis für seinen Humor, aber auch das Wissen, dass das alles bei vielen Menschen nicht so ankommt, wie es abgeschickt wurde.