: „Cannabis-Nachhilfe für Richter“
■ Der Drogenstrafrechtler und Autor Sebastian Scheerer zu den jüngsten Haschisch-Urteilen in Lübeck und Hamburg
Für den Handel mit bis zur vier Kilo Haschisch kann ein Lübecker Dealer seit vergangener Woche mit einer Geldstrafe davonkommen, in Hamburg kassierte ein 25jähriger Mann vorgestern nach alter Rechtsmanier wegen des Verkaufs von drei Kilo Hasch 18 Monate Knast ( taz berichtete). Werden Richter die Drogenpolitiker der Zukunft ? – darüber befragte die taz Sebastian Scheerer, Drogenstrafrechtler an der Hamburger Universität.
Müssen sich die Bürger durch diese Ungleichbehandlung nicht verarscht fühlen?
Ja, die Ungleichbehandlung ist eine Tatsache – natürlich fühlen sich die Bürger da verschaukelt.
Es scheint, als müßten in Deutschland jetzt Richter die Drogenpolitik machen; der Streit um Mengen und Strafmaße kreist ja um die unterschiedlichen Auffassungen über die Gefährlichkeit von Cannabis. Agieren Richter nun in einem Terrain, in dem sie eigentlich nichts zu suchen haben?
In diesem Fall hat der Gesetzgeber versäumt, einem Rechtsbegriff die nötige Klarheit zu geben. Das müssen jetzt die Richter ausbaden, die müssen nun darüber streiten, wie eine „nicht geringe Menge“ zu definieren ist.
Wie kann nach Ihrer Ansicht das Dilemma gelöst werden?
Mit einer vereinheitlichten Rechtsprechung. Die Argumente über die geringe Gefährlichkeit von Cannabisprodukten, die der Lübecker Richter angeführt hat, sind wissenschaftlich eigentlich schon lange unwidersprochen. Es wäre sehr nützlich, wenn Justiz und Richter mehr Bereitschaft zeigten, sich etwas Nachhilfeunterricht geben zu lassen. Dann würden sie vermutlich auch zu ähnlichen Ergebnissen kommen.
Diese drogenpolitische Frage sollte also über die Gerichtspraxis gelöst werden statt politisch?
Grundsätzlich liegt natürlich ein Versagen des Gesetzgebers vor. Der macht ungenaue Gesetze, was ihm eigentlich vom Verfassungsweg her verboten ist. Aber da kümmert er sich nicht drum. Allerdings könnte auch die Hamburger Justiz etwas unternehmen.
Und das wäre?
Der Justizsenator könnte über den Generalstaatsanwalt der Anklagebehörde eine klare Definiton einer nicht geringen Menge nahelegen und sie anweisen, den Handel damit als Vergehen und nicht mehr als Verbrechen zu ahnden. Das wäre eine legitime Vorgehensweise, dazu hat der Justizsenator das Recht. Damit wäre auch schon ein größerer Beitrag zur Rechtsgleichheit geleistet. Fragen: sako
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