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CSU–Protest gegen Apartheid in Eschenbach

■ Kneipenkollektiv in Eschenbach hatte wegen eines örtlichen Manövers Off–Limits–Schilder für Soldaten aufgestellt / CSU–Landtagsfraktion fordert Konzessionsentzug: „Grüne Provokation“ / Hetzkampagne im Fernsehen

Von Bernd Siegler

Eschenbach (taz) - Mitten in der Fränkischen Schweiz, am Eingang des malerischen Hirschbachtals, liegt die 450 Seelengemeinde Eschenbach. Dort, wo die bäuerliche Welt noch in Ordnung scheint, passiert Außergewöhnliches: CSU–Landtagsabgeordnete prangern Apartheid an. Was ist geschehen? Tausende von Erholungsbedürftigen aus Nürnberg, aber auch von weit her, lockt die hügelige Landschaft an, dementsprechend gut gehen die Ausflugslokale. Eschenbach besitzt zwei Gastwirtschaften, eine davon in Besitz eines Kollektivs junger Leute, die sich im Juli 1983 das Gasthaus „Zum Grünen Schwan“ gekauft haben, um dort eine Wirtschaft mit Tagungsbetrieb und Kleinkunstangebot aufzubauen. Daneben gibt es noch ein Cafe im Ort, in dem sich Republikaner–Chef Franz Schönhuber bevorzugt aufhält und dank seiner Popularität in Eschenbach auch stolze 20 den Landtagswahlen im Oktober verbuchen konnte. Grüne Sündenböcke Die Grünen schafften immerhin 17 sehen. Jede Aktivität im Umkreis, ob die Gründung einer „BI–Pegnitztal“ gegen die WAA, die Enthüllung eines weit sichtbaren WAA–Nein–Transparents in der nur Bergsteigern zugänglichen Mittelbergswand oder die Verunstaltung des Kriegerdenkmals, wird automatisch sofort dem Kneipenkollektiv unterstellt. Der Schriftzug „Mörder“ am Heiligtum des Dorfes, dem vom Veteranenverein gepflegten Ehrenmal für die gefallenen Krieger, brachte denn nun auch das Faß zum Überlaufen und die Hersbrucker Zeitung auf den Plan. Man erinnerte sich eines Vorfalls vor einem halben Jahr. Im Frühsommer war Manöver zeit in Franken und auch in Eschenbach. Uniformierte und bewaffnete Soldaten aus den USA und Kanada überschwemmten das ganze Dorf. Aus Protest gegen die „belagerungsähnliche Fülle von Militär am Ort“ hängte das Kneipenkolektiv entsprechend den Off–Limits–Schildern für Angehörige der US–Army eine Tafel über die Einganstüre, auf der unmißverständlich Soldaten als unerwünschte Gäste deutlich gemacht wurden. Gleich daneben ein Plakat: „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“. Am anderen Tag wurde das Schild wieder entfernt, ein grundsätzliches Verbot, Uniformierte zu bedienen, gab es sowieso nicht. Die ganze Angelegenheit geriet in Vergessenheit - bis sich nun, für das Kneipenkollektiv „völlig überraschend“, die Hersbrucker Zeitung gemeldet hat und zwei CSU– Landtagsabgeordnete dies als gefundenes Fressen fanden, um der grünen Kaderschmiede nun endgültig den Garaus zu machen. „Eine typisch grüne Provokation“ Kein geringerer als der wehrpolitische Sprecher der CSU–Landtagsfraktion Manfred Weiß und sein Hersbrucker Landtagskollege Anton Dobmeier nahmen sich der Sache scharfzüngig an. Im „Grünen Schwan“ werde gegenüber jenen, „die auftragsgemäß unseren Frieden sichern, Apartheid praktiziert“. Diese „typisch grüne Provokation“ sei Grund genug für den Entzug der Lizenz, das Gewerbeaufsichtsamt müsse einschreiten, um den Anfängen solch gesetzwidrigen Tuns zu wehren. Der Chef des regionalen Hotel– und Gaststättenverbandes, Rechtsanwalt Dr. Engelmann, fühlte sich ebenfalls verpflichtet, das Treiben in Eschenbach zu kommentieren. „Wenn dies stimmt, stellt es eine Diffamierung der Bundeswehr dar.“ Er sprach von einer „völlig branchenfremden Ausgrenzungspraxis“. Auch der Bayerische Rundfunk ließ nicht lange auf sich war ten. Er schickte ein Fernsehteam nach Eschenbach, um in einem „Tagesthema“ der Hetzkampagne der CSU–Landtagsabgeordneten mehr Popularität zu verleihen. Von einer „Pauschalaussperrung der Soldaten“, die „oft unter persönlichen Opfern ihren verfassungsmäßigen Auftrag erfüllen“ war die Rede. Man brachte den über die Denkmalbesudelung empörten zweiten Bürgermeister ins Bild, befragte Bundeswehrrekruten, die erwartungsgemäß Genugtuung verlangten. Eschenbach, „ein Einzelfall Gott sei Dank“. Das für den Lizenzentzug zuständige Landratsamt in Lauf verweist im „Fall Eschenbach“ auf die höchstrichterliche Rechtssprechung, die derartige Off–Limits– Schilder als Tatbestand der Beleidigung werten. „Für die Anzeigeerstattung gibt es eine Antragsfrist von drei Monaten, die mit Kenntnis der Straftat beginnt“, zeigt sich der zuständige Referent Reintaler gut informiert. Da das Manöver bereits im Frühsommer stattgefunden habe, müßten die Streitkräfte prüfen, ob diese Frist bereits verstrichen ist. Den beiden um den guten Ruf der in– und ausländischen NATO–Streitkräfte übereifrig besorgten Landtagsabgeordneten macht Reintaler wenig Mut: „Eine Konzession wird bei Unzuverlässigkeit des Inhabers entzogen, dazu sind bisher die Fakten etwas dürr.“ Während das Kollektiv des „Grünen Schwan“ also beruhigt die Wintersaison eröffnen kann, werden die CSU– Parlamentarier Fakten suchen gehen müssen.

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