CSU-Parteitag in Nürnberg: Vorne feiern, hinten sticheln
CSU-Chef Seehofer und CDU-Chefin Merkel zelebrieren einen harmonischen Wahlkampfstart. Doch das Frotzeln zwischen den beiden ist offensichtlich.
NÜRNBERG taz | Nein, die Atomkraft bringt einen wie Horst Seehofer nicht aus der Fassung. Gerade ist er auf dem Nürnberger Messegelände angekommen, seiner Münchener Staatskarosse entstiegen, hat vor Kameras versichert, es gebe "keine Probleme", da kommt schon der Vorsitzende des Naturschutzverbandes BUND auf ihn zu, will ihn zur Rede stellen - und sich bedanken. "Es ist das erste Mal", sagt Hubert Weiger, "dass wir zu einem CSU-Parteitag offiziell eingeladen wurden."
Dreißig Minuten später bei der Eröffnung macht Seehofer aus der kleinen Geschichte einen großen Auftritt. Die CSU sei "eine Partei des Dialogs, der Diskussion", sagte er, das zeige auch die Einladungspolitik. "Gerade hat mir der Vorsitzende einer großen Bundesorganisation gesagt, dass das eine Welturaufführung sei."
Nun gut, "Welturaufführung" hatte der Naturschützer nicht gesagt. Aber er hat es ja auch besser als Seehofer. Weiger, der langjährige Bayernchef des BUND, ist vor zwei Jahren zum Bundesvorsitzenden aufgerückt - eine Karriere, die in den Unionsparteien für einen CSU-Politiker nicht vorgesehen ist. Bestenfalls Kanzlerkandidat kann er werden, und die Rolle ist zurzeit besetzt.
Vor einem Jahr hatte Angela Merkel in Nürnberg triumphiert. Damals waren Seehofers Vorgänger Erwin Huber und Günther Beckstein so sehr darauf bedacht, untereinander die heikle Machtbalance zu wahren, dass sie die große Bühne des Parteitags praktisch der Kanzlerin überließen. Ihre Umfragewerte waren damals im Steigflug begriffen, die CSU jedoch erlebte bei der folgenden Landtagswahl den größten Absturz ihrer Geschichte.
Das sollte Seehofer am Freitag nicht passieren. Seine eigene große Rede war für Samstag aufgespart, um nicht den Eindruck zu erwecken, er spiele nur in der Landesliga als Vorgruppe für die CDU-Vorsitzende. "Was unser Land jetzt braucht: Eine starke CSU in Berlin", hatte er an der Wand hinter Merkels Rücken vorsorglich plakatieren lassen.
Verbale Treueschwüre und lustvolle Sticheleien folgten dann: "Sie ist die stärkste Persönlichkeit, die wir als Union haben", lobte der Ministerpräsident - und versprach bis zum 27. September Merkel jede Unterstützung. Dass er die Zusage bis zu diesem Datum befriste, wie er Anfang der Woche auf der Klausur der Landesgruppe drohte, sagte er in Nürnberg nicht. Gleichzeitig spielte Seehofer auf die Debatte über Pendlerpauschale, Steuersenkungen und Erbschaften an. "Wir lagen und liegen richtig", sagte er.
Der CSU-Chef fügte allerdings hinzu: "Wir haben auch wieder den Biss, den eine Partei braucht." Das war dann doch eine Spitze gegen die Vorgänger, vor allem aber eine Drohung in Richtung Berlin - nicht zuletzt im aktuellen Streit über die Europapolitik, mit dem Seehofer in der vergangenen Wochen die Kanzlerin ärgerte, nicht mit durchweg überzeugter Unterstützung aus den eigenen Reihen allerdings.
Begegnet waren sich die beiden in der zurückliegenden Woche bereits mehrfach, erst bei der Landesgruppenklausur im fränkischen Kloster Banz, dann bei den deutsch-russischen Konsultationen in München, zuletzt am Donnerstagabend auf der Hundertjahrfeier der Automarke Audi in Seehofers Heimatstadt Ingolstadt. Auch hier konnten die beiden bei aller zur Schau gestellten Harmonie das Frotzeln nicht lassen. "Mir sind fünf Minuten gegeben", klagte Seehofer, der wieder einmal das Vorprogramm für Merkel beisteuern musste. Die Kanzlerin darauf: "Diesmal freue ich ich mich ganz besonders, nach Ingolstadt zu kommen", sagte sie. "Bisher war ich, wenn ich hier war, wegen Horst Seehofer hier."
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