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CSU-EuropawahlkampfViele Abers, kein klares Ja

Horst Seehofers „Europaplan“ sorgt für Kritik in der CDU. Der CSU-Chef wolle mit europakritischen Tönen nach Stimmen am rechten Rand fischen.

Vom bayerischen Bier soll die EU die Finger lassen, findet Horst Seehofer. Von vielem anderen auch Bild: reuters

BERLIN taz | Ganz vorn auf dem so genannten „Europaplan“ der CSU prangt ein Bild, das man durchaus als programmatische Aussage verstehen kann. Über einer Landkarte Europas schwebt die Silhouette des Freistaates Bayern, mit weiß-blauen Rauten ausgefüllt und so riesig vergrößert, dass sie von Norditalien bis Schweden reicht. Die Botschaft lautet: Bayern ist das, was wirklich zählt bei der Europawahl am 25. Mai.

Das Programm, welches die Parteispitze um Horst Seehofer dann auf 10 Seiten aufgeschrieben hat, sorgt nun für Streit innerhalb der Union. Es übt scharfe Kritik an Institutionen wie der EU-Kommission, wirft der EU Bürokratismus vor und will ihr Kompetenzen entziehen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sah sich am Freitag genötigt, den Programmentwurf gegen Kritik aus der CDU zu verteidigen. "Die CSU ist eine eigenständige Partei", sagte Scheuer am Freitag dem Radiosender Bayern 2. Deswegen habe man "stärkere Positionen formuliert" als die Schwesterpartei.

Der CSU-Vorstand trifft sich noch bis Samstag im oberbayerischen Kloster Andechs, um diesen Entwurf zu beraten. Daneben wird es aber vor allem um den unionsinternen Zwist gehen. Mehrere CDU-Politiker hatten unverhohlen Kritik an dem "Europaplan" geäußert, was, kurz vor einer Wahl, ein unüblicher Vorgang ist. Herbert Reul, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, nannte auf Spiegel Online einige Forderungen "überflüssig", weil sie europakritische Stimmungen bedienten. Und der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok sagte: "Wer das Aber zu groß macht, zerstört das Ja."

In der Tat betont die CSU zwar im Vorwort des Papiers, wie wichtig ein stabiles Europa sei. Doch dann folgen ziemlich viele Abers, die dieses Bekenntnis in Frage stellen. Das Papier fordert, die "Armutsmigration" zu stoppen - und knüpft so an den scharfen Kurs gegen Armutszuwanderer an, den der Vorstand schon im Januar in Wildbad Kreuth absegnete ("Wer betrügt, der fliegt."). Außerdem spart das Papier nicht an populistischen Floskeln, spricht etwa von "Brüsseler Regulierungswut". Eine Forderung ist, die Zahl der 28 EU-Kommissare zu halbieren, um Kosten zu sparen. Im Moment darf jeder Mitgliedsstaat einen EU-Kommissar entsenden.

Gegen Duschkopf-Regeln

Außerdem schwebt der CSU-Spitze um Seehofer ein Kompetenz-Gerichtshof vor, der darüber wachen soll, dass Brüssel seine Befugnisse nicht überschreitet. Ein Aufpassergerichtshof neben dem EU-Gerichtshof also, der mit Richtern aus nationalen Verfassungsgerichten besetzt würde. Der Europaplan fordert ferner, die EU müsse Kompetenzen an die Nationalstaaten zurückgeben. "Glühbirnen, Duschköpfe, Toilettenspülungen, Staubsauger, Tachographen oder Olivenölkännchen kommen auch ohne EU-Vorgaben aus", heißt es in dem Papier.

Mit diesem Kurs setzt sich die CSU von der Linie ab, die Kanzlerin Angela Merkel und die CDU verfolgen. Merkel hatte sich in der Vergangenheit dafür eingesetzt, wichtige Themen innerhalb der EU stärker zu koordinieren, etwa die Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik, aber auch die Steuer- und Sozialpolitik. In ihren Reden betont die Kanzlerin immer wieder, wie wichtig ein starkes Europa für den Wohlstand Deutschlands sei.

Als Grund für die EU-kritische Positionierung der CSU machen Parteistrategen die Furcht vor der Alternative für Deutschland aus. Die Euro-kritische AfD des Ökonomen Bernd Lucke liegt in Umfragen für die Europawahl bei gut 6 Prozent. Ihr Einzug ins Europaparlament ist sehr wahrscheinlich, zumal das Verfassungsgericht jüngst die deutsche 3-Prozent-Hürde bei der Wahl für verfassungswidrig erklärt hatte.

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