CO2-Ziele nach Kopenhagen: "Geradewegs in Richtung 3,5 Grad"
Sechs Wochen nach Kopenhagen melden nur 55 Staaten ihre Ziele zur Treibhausgasreduktion. Die Experten sind enttäuscht über die Vorgaben.
Die internationale Klimapolitik hat den ersten Test nach dem Kopenhagen-Gipfel nicht bestanden: Bis Sonntag sollten die 193 Vertragsstaaten ihre Ziele zur Treibhausgasreduktion beim UN-Klimasekretariat einreichen. Ausgenommen waren die ärmsten Entwicklungsländer und die kleinen Inselstaaten. Wie die UN am Montagabend bekannt gaben, sind aber nur 55 Staaten der Aufforderung gefolgt. Staaten wie etwa die Schweiz oder Mexiko fehlen. Auch aus klimawissenschaftlicher Sicht sind die Zahlen unzureichend.
In Kopenhagen hatten sich die Staats- und Regierungschefs auf einen Minimalkonsens geeinigt, der eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad zum Ziel hatte. Einen Weg dorthin mit verpflichtenden Reduktionszielen vereinbarten sie nicht. Stattdessen gab es die Aufforderung, die nationalen Ziele bis Ende Januar einzureichen. Wie bereits bekannt wurde, bekräftigten sowohl die USA als auch die Europäische Union (EU) jetzt lediglich ihre vor Kopenhagen genannten Zahlen. So wollen die USA ihre Emissionen bis 2020 um 17 Prozent gegenüber 2005 reduzieren. Im Vergleich zum Basisjahr 1990 bedeutet dies allerdings nur eine Minderung um drei bis vier Prozent.
Auch die EU blieb bei ihrer Aussage, die Emissionen um 20 Prozent zu reduzieren. Sollten andere Industriestaaten ähnliche Ziele vorlegen, will die EU um 30 Prozent reduzieren. Doch nun zeigt sich: Auch andere Länder verstärken ihren Klimaschutz nicht, sondern bleiben bei ihren vor dem Klimagipfel genannten Zielen: Japan reichte das Ziel von minus 25 Prozent ein, Australien will in Abhängigkeit von einem künftigen Klimaabkommen 5 bis 25 Prozent gegenüber 2000 reduzieren. China will pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 40 bis 45 Prozent weniger Emissionen ausstoßen als 2005, Indien 20 bis 25 Prozent weniger pro BIP-Einheit. Dies bedeutet keine tatsächliche Reduktion, sondern eine Verlangsamung des Ausstoßes.
Die Vereinten Nationen versuchen, die Zahlen differenziert zu bewerten. Der Klimaberater von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, Janos Pasztor, sagte, man könne sie positiv und negativ sehen. Negativ sei, dass die genannten Ziele vermutlich nicht ausreichten. Positiv sei, dass es zum ersten Mal überhaupt ein Ziel gebe, "ein klares Ziel, für das wir alle arbeiten. Vorher wurde nur geredet".
Umweltschutzorganisationen sehen das anders. "Mit dem, was uns jetzt vorliegt, steuern wir geradewegs auf eine Erderwärmung um 3,5 Grad zu", kritisert Klimaexpertin Antje von Broock vom BUND. Mit den seit langem bekannten Zahlen könne keine Bewegung in die Verhandlungen kommen. "Man muss deshalb umdenken: Die Staaten sollten nicht zu sehr versuchen, diesen großen Wurf hinzubekommen, sondern einzelne Beschlüsse in den Bereichen fassen, in denen sie sich einigen können, etwa beim Thema Waldschutz oder Technologietransfer", so von Broock.
Klimaexperte Tilman Santarius von der Heinrich-Böll-Stiftung sieht die Tabelle zwar als "Anstoß, dass es jetzt mit den Verhandlungen weitergeht". Allerdings kritisiert auch er: "Wir sind letztlich in der gleichen Situation wie vor Kopenhagen."
Ein Land hat sich doch bewegt - nur in die falsche Richtung: Hatte Kanada in Kopenhagen noch umgerechnet auf das Basisjahr 1990 ein Minus von drei Prozent angeboten, hat es jetzt in Anlehnung an die USA eine Reduktion um 17 Prozent gegenüber 2005 eingereicht. Was toll klingt, bedeutet gegenüber 1990 aber ein Plus von 2,5 Prozent.
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