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CO₂-Kompensation durch ZertifikateKlimaschutz meist nur auf dem Papier

Die EU will ihren Ausstoß von Treibhausgasen auch durch den Kauf von CO₂-Zertifikaten kompensieren. Was das bedeutet und warum es keine gute Idee ist.

Bäume sind gut fürs Klima. Der Handel mit CO2-Zertifikaten aus deren Aufforstung längst nicht immer Foto: Michael Runkel/imago

Die Europäische Union (EU) plant, ihre eigenen Emissionen bis Ende 2040 um 85 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Zusätzliche 5 Prozentpunkte an CO₂-Einsparungen will sich das Staatenbündnis aus dem Ausland erkaufen. Nämlich so: Die EU finanziert Klimaschutzprojekte in anderen Ländern, bekommt dafür Zertifikate über die Höhe der CO₂-Einsparungen und rechnet sich das auf die eigene Klimabilanz an.

Das stößt bei vielen Klimaschutzorganisationen auf Kritik. „Die EU hätte ein 90-Prozent-Ziel ohne CO₂-Kredite aus dem Ausland beschließen sollen“, sagt etwa Sven Harmeling vom Climate Action Network Europe der taz.

Im vergangenen Jahr kam eine Studie zu dem Schluss, dass die realen Klimaschutz-Erfolge durch CO₂-Kompensationen oft weit unter denen liegen, die ausgegebene CO₂-Zertifikate versprechen. Weniger als 16 Prozent davon bewirken demnach echte Emissionsreduktionen. Die Untersuchung erschien im Fachmagazin Nature Communications, dahinter steckt ein internationales Forscherteam um Benedict Probst vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb in München.

Das Pariser Klimaabkommen erlaubt Staaten prinzipiell, auch über CO₂-Zertifikate aus anderen Ländern Klimaschutz zu betreiben. Um zu verhindern, dass – so wie bisher – weitaus mehr Klimaschutz verkauft als tatsächlich erzielt wird, haben sich die Staaten im vergangenen Jahr auf neue Regeln für die CO₂-Kompensation geeinigt.

Nicht in allen Fällen ist es möglich auszuschließen, dass sich zwei Länder dieselbe CO₂-Einsparung anrechnen lassen

Sven Harmeling, Climate Action Network Europe

Aber: „Die Regeln sind nach wie vor nicht solide genug, um zu rechtfertigen, dass die EU Klimaschutz nicht zu Hause macht“, sagt Harmeling. Zum Beispiel sei es weiter nicht in allen Fällen möglich auszuschließen, dass sich zwei Länder dieselbe CO₂-Einsparung anrechnen lassen.

Innerhalb kleinerer, stringenter Monitoringsysteme wie in der EU lasse sich das zwar überwachen. Die Kontrolle beim Austausch mit außereuropäischen Ländern, deren Systeme zur Überwachung ihrer Klimaschutzmaßnahmen möglicherweise nicht so gut funktionieren, sei aber viel schwieriger. Zudem sei fraglich, wie sinnvoll es ist, viel Geld in Be­ra­te­r*in­nen zu stecken, die solche Systeme verbessern, anstatt direkt in den Klimaschutz, sagt Harmeling.

Qualität der Klimaschutz-Projekte fraglich

Eine weitere gängige Kritik an Klimaschutz über CO₂-Zertifikate ist, dass diese teils für Projekte ausgegeben werden, die auch ohnehin stattgefunden hätten – also ohne zusätzliche Investitionen aus dem Ausland. Auch die Qualität der Projekte ist sehr unterschiedlich. Oft betreiben sie Aufforstung von Waldplantagen, pflanzen Bäume, die schnell wachsen und Kohlenstoff binden. Nicht immer ist jedoch gewährleistet, dass diese Bäume auch dauerhaft gepflegt werden. Teils verdrängen sie zudem nachhaltige Ökosysteme – oder die lokale Bevölkerung.

Die EU will sogenannte „High-Quality“-Credits nutzen – also Zertifikate mit besonders hoher Qualität einkaufen. Was genau das heißt, ist offen. „Ich glaube nicht, dass die EU vorhat, billige Baumpflanzzertifikate zu kaufen“, sagt Experte Harmeling. „Aber ob sie den Mumm hat, wirklich hohe Standards zu definieren, ist fraglich.“

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