CHINA UNTERSTÜTZT DIE USA IN IHREM KRIEG GEGEN DEN TERROR: Pekings gefährliche neue Liebe
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld versucht, die über einen möglichen Irakkrieg erregte Welt mit der Feststellung zu beruhigen, Amerika sei nie eine Kolonialmacht gewesen und werde nie eine werden. Aus chinesischer Sicht ist das richtig – schließlich waren es US-Truppen, die die japanischen Besatzer im Zweiten Weltkrieg zum Rückzug zwangen. Ohne dieses historische Urvertrauen der Chinesen in die USA kann man nicht erklären, weshalb Peking derzeit willens scheint, alle bislang heiligen Souveränitätsprinzipien über Bord zu werfen und US-Präsident George W. Bush auf seinem Kriegspfad wider den Terrorismus zu folgen.
Noch vor wenigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass Washington einen Krieg plant, ohne Chinas Kommunisten in helle Aufregung zu versetzen. Damals funktionierten die antikapitalistischen Reflexe Pekings noch. Vor allem aber fühlten sich Chinas Kommunisten durch den Westen existenziell bedroht. Die Angst resultierte aus dem Untergang der Sowjetunion – ein Schicksal, das Peking mit allen Mitteln abwehren wollte.
Noch der Kosovokrieg löste in China eigene Zerfallsängste aus. Mittlerweile jedoch scheint die Phase der Existenzangst ein für allemal vorüber. Jetzt ist man selbst ein kapitalistisches Land, auch wenn man sich das noch nicht zu sagen getraut, und glaubt, den Abbau der Planwirtschaft zumindest konzeptionell im Griff zu haben. Zugleich ist das ideologische Feindbild „Westen“ verschwunden. Nicht einmal die Aussicht, dass US-Multis irakische Ölfelder übernehmen, kann Peking mehr irritieren – schließlich benötigt man die gleichen Multis zur Erschließung eigener Energiequellen.
So bleibt der chinesischen Regierung nur eine große außenpolitische Sorge: dass sich die USA eines Tages gegen China wenden, weil sie – Bin Laden hin, Saddam her – in der Volksrepublik den einzig ernst zu nehmenden Rivalen des 21. Jahrhunderts vermuten. Um das zu verhindern, bleibt Peking nur eine Wahl: Washington zu folgen. Das ist weitsichtig, aber nicht ohne Risiko: Die Kommunisten könnten sich damit eine eigene nationalistische Opposition heranziehen. GEORG BLUME
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