CHARLOTTE KNOBLOCH GAB EIN INTERVIEW IN DER „JUNGEN FREIHEIT“: Adressaten angepeilt
Wenn es nach der Jungen Freiheit geht, dann sieht der deutsche Alltag so aus: Das „deutsche Volk“ ist gesund, abträglich ist nur die „Spaßgesellschaft“, die mit unnötigen Aktionen wie „Gesicht zeigen“ lästig wird. Zwischendurch darf ein FPÖ-Europaabgeordneter erklären, warum Norman Finkelstein ein tolles Buch geschrieben hat. Und das „Neonazi-Problem“ ist bei der Jungen Freiheit lediglich ein „so genanntes“. Dass mit Gerhard Löwenthal ein einschlägig bekannter Publizist die Opfer der NS- mit denen der SED-Diktatur gleichsetzen darf, passt ins Erscheinungsbild einer Zeitung, die laut Bericht des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes „auch weiterhin Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen“ gibt. Nun bemüht sich das Blatt verstärkt um Interviewpartner aus dem demokratischen Spektrum. So plauderte jüngst Staatssekretär Christoph Zöpel (SPD) über seine schlesische Herkunft – und nutzte dennoch die Gelegenheit, sich als überzeugter Europäer zu präsentieren und Begriffen wie „Volk“ und „National-Masochismus“ wortreiche Absagen zu erteilen. Die Aufregung um Zöpels unbedachten Mitteilungsdrang an merkwürdiger Stelle hat sich kaum gelegt, da facht Charlotte Knobloch die Diskussion von neuem an: Auch die Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland spricht mit der Jungen Freiheit.
Warum nun ausgerechnet Frau Knobloch dem Blatt ein Forum bietet? Weil es umgekehrt ist: Die Junge Freiheit bietet Knobloch eine Bühne, auf der sie sich an ein vermeintlich rechtsintellektuelles Publikum wenden kann. „Wir sind da, wir werden da sein, und ich lasse mich von solchen Rabauken nicht vertreiben“, sagte sie gestern dem Südwestrundfunk. Und betonte erneut, dass Vorurteile nicht durch Unkenntnis gestärkt werden dürften.
Es ist sicher nicht unproblematisch, sich von rechten Federführern zum Gespräch laden zu lassen – andererseits handelt Knobloch nur konsequent, wenn sie ihren deutlichen Worten eine so drastische Aktion wie ein Interview bei der Jungen Freiheit folgen lässt.
An Lippen- und anderen Bekenntnissen hat es nicht gefehlt. Wenn sie ungehört verklingen, dann vielleicht auch, weil womöglich der Adressat, die „Anständigen“, der falsche ist. Insofern ist es verständlich, auch ein Interviewangebot der Jungen Freiheit anzunehmen. Die hat eine Druckauflage von 70.000 Exemplaren – wahrscheinlich liest’s ja jemand von den Rechten, den es angeht. Zu fragen ist allerdings, warum Frau Knobloch sich nicht von der FAZ interviewen lässt, schließlich bemüht die sich auch ehrenvoll, die jungen rechten Intellektuellen auf ihre Seite zu ziehen.
ARNO FRANK
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