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CDU–Chemiefreunde lenken ab

■ Bundestagsabgeordnete der Union sprechen von „Sabotage“ beim Hoechst–Chlorbezol–Unfall / Staatsanwaltschaft will nicht von Sabotage sprechen / Grüne: CDU lenkt von Problem der Einleitung ab

Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Als Ende November bei der Frankfurter Hoechst AG mehrere Liter Chlorbezol „unkontrolliert“ in den Main gelangten, war auch der hessische Chemiegigant - nach der Sandoz–Katastrophe - in den Schlagzeilen. Experten des Darmstädter Regierungspräsidiums und des Wasserwirtschaftsamtes sprachen nach einer Ortsbegehung von einem „ad hoc eingerichteten Lagerplatz“ für Chlorbenzol bei der Hoechst AG, der Sicherheitsmängel aufweise, die einen willkürlichen Einfluß von Chlorbezol in das Kanalsystem möglich machten. Doch bereits eine Woche später schließt Bundesumweltminister Walter Wallmann - im Gegensatz zu den hessischen Experten - Fahrlässigkeit der Hoechst AG bei der Lagerung von Chlorbenzol aus. Wie ein Sprecher des Ministers am vergangenen Dienstag mitteilte, sprächen die „Umstände“ dafür, daß es sich bei dem Einfluß der zwei Liter Chlorbenzol in den Main um eine „vorsätzliche Tat“ gehandelt habe. Auf einer vorangegangenen Fraktionssitzung der CDU fiel gar das Wort „Sabotage“. Wallmann berief sich auf das „Untersuchungsergebnis“ der Frankfurter Staatsanwaltschaft, die mit der Ermittlungsarbeit im Fall Hoechst AG und Chlorbezol befaßt ist. Doch der ermittelnde Oberstaatsanwalt Rochus erklärte auf Nachfrage der taz, daß zur Zeit keinesfalls von einem „Untersuchungsergebnis“ gesprochen werden könne. Rochus führte aus, daß es - „nach dem Stand der Ermittlungen“ - maximal als „unwahrscheinlich“ bezeichnet werden könne, daß dem Unternehmen der Vorwurf der Fahrlässigkeit gemacht werden müsse. Die in Frage kommende Lagerhalle der Hoechst AG sei nach innen abschüssig konstruiert, so daß das Chlorbenzol unmöglich von selbst in die Abwasserkanäle habe gelangen können. Gegen die Annahme, daß ein Chlorbenzolkanister „einfach umgekippt“ sei, spräche der Umstand, daß rund 15 Liter Chlorbenzol in zwei voneinander getrennten Abwasserkanälen gefunden worden seien. Von „Sabotage“ wollte der Staatsanwalt allerdings nicht sprechen. Rochus: „Es könnte ja auch sein, daß ein ordentlicher Hoechst–Mitarbeiter einen im Wege stehenden Kanister einfach ausgeleert hat.“ Der Pressesprecher des hessischen Umweltministers Joschka Fischer, Georg Dick, warf der Union vor, politische „Entlastungsangriffe“ zu „fliegen“. Dick: „Die Chemiefreunde in der CDU wollen mit ihrem gekünstelten Sabotagevorwurf lediglich von den zahllosen, definitiv bewiesenen Vorfällen und Einleitungen der letzten Wochen ablenken.“ Die Bürgerinitiative „Hoechster Schnüffler und Maagucker“, erklärte, daß Hoechst zur Zeit über hundert Mitarbeiter, die im Chlorbenzolbereich gearbeitet hätten, überprüfen lasse.

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