CDU: "Dafür war ich mir zu schade"
Malte Engelmann erklärt, warum er alle Posten in der CDU abgibt - aber nicht sein Parteibuch
taz: Herr Engelmann, war Ihr Rücktritt notwendig?
Malte Engelmann: Er ist mir vergleichsweise leicht gefallen. Ich hatte ja kaum noch Ämter und diesmal auch keinen Deputationssitz angestrebt: Ich brauchte Zeit, um im Sommer mein Studium abzuschließen, erfolgreich. Daher war ich nur noch Beisitzer im Vorstand des Ortsvereins Findorff und hatte Koordinierungsaufgaben im Metropolverband der JU. Das sind keine Posten, für die ich eine längere Schmutzkampagne hätte ertragen wollen. Dafür war ich mir zu schade.
Hätte ein starker CDU-Vorstand da nicht gegensteuern können?
Ja.
Also sind Sie sauer auf den Landesvorstand?
Die Frage ist viel schwieriger zu beantworten. Sauer? Vielleicht auf Teile des Landesvorstands. Aber es gab ebenso viel Unterstützung. Am meisten bedauere ich, dass man sich gar nicht mit meinem inhaltlichen Anliegen befassen wollte. Es ging einfach nur darum, die Sache schnell zu beenden.
Welche Inhalte?
Ich kritisiere, dass es in der CDU einige Ewiggestrige gibt: Auf Dauer hat die Partei nur eine Chance, wenn wir uns für alle Menschen dieser Stadt öffnen - und nicht einigen Gruppen das Gefühl vermitteln, Menschen zweiter Klasse zu sein…
32, war nacheinander Bremer Landesvorsitzender der Schüler Union, des RCDS und bis 2010 der Jungen Union, deren "Metropolverband Nordwest" er gründete. Verfasst eine Masterarbeit über Windenergie und Wirtschaftspolitik und arbeitet an einem Buch über die CDU in Großstädten.
… also den Muslimen?
Ja, in dem Fall. Aber in der Politik sollte immer der Mensch im Mittelpunkt stehen, seine Sorgen, seine Probleme - nicht die Frage nach seiner Konfession.
Bloß hat Ihre Partei dieses "C" im Namen. Muss das weg?
Nein: Christentum bedeutet Mitmenschlichkeit, Toleranz, Akzeptanz und Offenheit. Das sind die Werte, die unser Land prägen sollten. Das "C" sollte einen ethischen Kompass darstellen, eine Orientierung an diesen Werten.Mit denen kann sich jeder Jude, jeder Muslim und jeder Buddhist identifizieren. Auf keinen Fall bedeutet es, dass die CDU eine fundamentalistisch-christlich Politik betreibt.
Sehen das Parteimitglieder anders?
Ich wollte diese Diskussion anstoßen: Wir müssen anfangen, offen mit den Lebens- und Glaubensvorstellungen der Menschen umzugehen, wir müssen ihre Anliegen ernst nehmen. Nur so kann die CDU langfristig Antworten geben auf die Probleme dieser Stadt. Wir dürfen uns nicht länger in Hinterzimmern auf Programme verständigen.
Schwingt da Neid mit auf diskussionsfreudigere Parteien?
In dem Fall kann ich ausnahmsweise nur neidisch auf Die Grünen schauen: Die streiten über ihre Themen, breit und öffentlich - und zeigen so, wie Demokratie geht.
Aber Streit gibts in der CDU doch reichlich!
…nur den falschen: Meist haben wir übereinander gestritten - und über Posten. Dagegen haben wir es selten geschafft, mit unseren Inhalten eine öffentliche Debatte zu entfachen. Personal-Streitereien bringen die Gesellschaft gewiss nicht weiter.
Also wechseln Sie die Partei?
Das kommt für mich nicht in Frage. Ich will bewegen und gestalten, und ich hoffe, dass die CDU sich dorthin entwickelt.
Mit dem amtierenden Landesvorstand?
Der Vorstand ist bis Anfang kommenden Jahres im Amt…
…also bis zur Wiederwahl: Läufts nicht darauf hinaus?
Vielleicht wäre es sinnvoll, Fraktions- und Parteivorsitz zu trennen, auch um Thomas Röwekamp zu entlasten, der im Dauerfeuer steht. Wenn die CDU jemanden an ihre Spitze setzen würde, der die Partei einen kann, jemanden wie Ronald-Mike Neumeyer, der im höchsten Maße anerkannt ist - dann könnte wieder ein echtes "Wir"-Gefühl entstehen. Einen besonnenen, verbindenden Parteichef in Kombination mit einem rhetorisch-brillanten Fraktions-Vorsitzenden - das wäre für die Bremer CDU ein absoluter Gewinn.
Was bisher geschah
Zurücktreten musste Malte Engelmann am 25. August - infolge skandalisierender Berichterstattung über eine Glosse in seinem Internet-Blog. Die attackierte islamophobe Tendenzen der Bremer CDU. Während der Weser-Kurier in ihr die Verbreitung von Nazi-Parolen sah, verstand die Jüdische Allgemeine Zeitung sie als "Versuch, für eine integrationsfreundlichere CDU zu werben". Dieser sei "grandios gescheitert" - auch an "schlechtem Humor". Vor allem aber sei Engelmann "Opfer eines Klimas, in dem nicht mehr gelesen, sondern nur geurteilt" werde.
Das trifft offenkundig auch auf die CDU-Führung zu. So nannte Heiko Strohmann den Versuch, für eine integrationsfreundlichere Union zu werben, eine "Entgleisung, die durch nichts zu rechtfertigen" sei und entfreundete sich sogar auf Facebook von Engelmann. Der war stets als loyalster Unterstützer von Partei-Chef Thomas Röwekamp aufgetreten.
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