CDU lässt CSU auflaufen: Abfuhr für Hubers Steuerpläne
Die Berliner CDU-Spitze ignoriert das Steuerkonzept Ihrer Schwesterpartei CSU - und schließt mit NRW-Chef Rüttgers einen Kompromiss zur Rente.
Das Steuerkonzept der bayerischen Schwesterpartei? Der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU gibt sich alle Mühe, möglichst gelangweilt dreinzuschauen. "Darüber haben wir im Bundesvorstand nicht diskutiert", sagt Hendrik Wüst nach der Sitzung des Gremiums in Berlin. Man wünsche der CSU aber alles Gute für die anstehenden Wahlkämpfe. Viel mehr Worte verliert auch Wüsts Berliner Kollege Ronald Pofalla nicht. "Wir dürfen das Ziel, im Jahr 2011 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, auf keinen Fall gefährden": So lautet der immer gleiche Satz, mit dem Pofalla alle Nachfragen beantwortet. Es klingt, als liege München irgendwo auf einem anderen Stern.
Den Rentenplänen des NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers wurde eine solche Missachtung nicht zuteil, im Gegenteil. Heftig beklatschten die Vorstandsmitglieder nach Teilnehmerangaben die Kompromissformel, die Rüttgers und Pofalla am Wochenende ausgehandelt hatten. "Wer ein Leben lang Vollzeit beschäftigt war, muss eine Rente oberhalb der Armutsgrenze erhalten", lautet sie nun. Was "oberhalb" bedeutet, lässt der Beschluss allerdings offen.
Im Leitantrag des Leipziger Parteitags 2003, auf den sich nun alle Seiten berufen, war noch von einem Niveau "mindestens 15 Prozent oberhalb der jeweils gültigen Sozialhilfe" die Rede gewesen. Allerdings sollte im Gegenzug "die soziale Grundsicherung wegfallen". Rüttgers Sozialminister Karl-Josef Laumann hatte dagegen die Wiedereinführung der früheren "Rente nach Mindesteinkommen" vorgeschlagen, unabhängig von sonstigen Einkünften. Dieser Idee hat der CDU-Vorstand eine Absage erteilt. "Bedarfsabhängig" soll der Rentenaufschlag nach der neuen CDU-Beschlusslage gezahlt werden, also mit Anrechnung von Einkommen und Vermögen.
In der Berliner CDU-Zentrale zeigt derweil ein stumm geschalteter Bildschirm, wie CSU-Chef Erwin Huber in der bayerischen Landeshauptstadt gerade seine Steuerpläne erläutert. Wäre der Ton eingeschaltet, dann könnte man Sätze hören wie: "Die heimliche Steuerprogression muss unterbrochen werden." Es gehe darum, die Normalverdiener zu entlasten, die "berechtigte Angst" hätten, gesellschaftlich abzurutschen.
Die CSU wolle dazu von 2009 bis 2012 insgesamt Steuerersparnisse von 28 Milliarden Euro verteilen - in drei Schritten. Schon 2009 soll die Pendlerpauschale wieder vom ersten Kilometer an gezahlt werden. Bisher gibt es die 30 Cent erst ab dem 21. Fahrtkilometer. Die Pauschale auf alle Pendler auszudehnen, würde 2,5 Milliarden kosten. Außerdem sollen für das Kindergeld zusätzliche 2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden - und für die Kinderfreibeträge 250 Millionen Euro. Hinzu kommt noch eine Wohnungsbau-Initiative von 300 Millionen Euro.
Bis 2010 soll dann der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer von derzeit 7.664 auf 8.004 Euro steigen und der Eingangssteuersatz von 15 auf 13 Prozent sinken. Außerdem will die CSU den sogenannten "Mittelstandsbauch" kurieren und die sehr steile Steuer-Progression zwischen 15 und 24 Prozent abflachen. Dies kostet insgesamt 10 Milliarden Euro. Bis 2012 soll dann der Eingangssteuersatz nochmals auf 12 Prozent sinken und der "Mittelstandsbauch" erneut abgeschmolzen werden. Dafür sind weitere 9 Milliarden Euro veranschlagt.
Rund 4 Milliarden Euro wird es kosten, die "kalte Progression" zu korrigieren. Damit ist das Problem gemeint, dass durch die Lohnsteigerungen immer mehr Bürger einen höheren Grenzsteuersatz zahlen müssen, obwohl sie netto gar nicht mehr verdienen, weil die Inflation einen großen Teil ihres Zusatzgehaltes wieder auffrisst. Daher soll der Spitzensteuersatz von 42 Prozent nicht mehr ab einem Jahreseinkommen von 52.000, sondern erst ab 60.000 Euro gelten.
Und was sagt die Bundeskanzlerin zu dieser Wunschliste? Ebenfalls nicht viel. "Das Festhalten am Konsolidierungskurs wird von allen drei Koalitionsparteien unverändert getragen", erklärte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm knapp. Dazu zählt auch die CSU.
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