CDU einigt sich auf Lohnuntergrenze: Ein Hauch von „Mindestlohn“
Kurz vor den NRW-Wahlen präsentiert die CDU ihren internen Kompromiss zum Mindestlohn. Gewerkschaften befürchten, dass das Modell mehr schadet als nutzt.
BERLIN taz | Die CDU ist sich einig, wie sie ihr soziales Image aufbessern will. Seit Mittwoch sind die Differenzen zwischen dem Wirtschafts- und dem Sozialflügel in der Partei endgültig beigelegt. Und so präsentierte die Union ihren internen Kompromiss dazu, wie sie ihren Mindestlohnbeschluss vom Bundesparteitag im vergangenen November umsetzen will.
Erstes Ergebnis: Sie selbst will ihn nicht umsetzen. Gewerkschaften und Arbeitgeber sollen das regeln. Die Tarifparteien sollen dafür jeweils sieben Vertreter in eine ständige „Lohnuntergrenzenkommission“ entsenden. Das Wort „Mindestlohn“ meidet die Union nach wie vor wie der Teufel das Weihwasser.
Nächste Vorgabe: Die Kommission darf nur dort Lohnuntergrenzen festlegen, wo keine Tarifverträge existieren. Die Bundesregierung will diese Grenzen dann in ein Gesetz gießen. So werden FriseurInnen in Thüringen weiterhin 3,18 Euro Bruttostundenlohn bekommen, FloristInnen in Sachsen 4,35 Euro – denn in etlichen Branchen ist nicht das Fehlen von Tarifverträgen das Problem, sondern sind es die Niedriglöhne, die durch sie fixiert werden.
Als weitere Einschränkung gibt die CDU den Verhandlungspartnern vor, dass sie die Lohnuntergrenze nach „Regionen, Branchen oder bestimmten Arbeitnehmergruppen“ differenzieren können. Da unter anderem dieser Punkt zwischen den Tarifpartnern für heftigen Streit sorgen dürfte, hat die Union auch Schlichtungsmechanismen mitbedacht: Einigen sich Gewerkschaften und Arbeitgeber nicht innerhalb einer Frist, die noch nicht bestimmt ist, wird ein Schlichter mit Stimmrecht hinzugezogen. Wer das sein soll, darauf sollen sich die Tarifparteien im Guten verständigen. Klappt auch das nicht, benennt jede Seite einen Vertreter, und das Los entscheidet. Kann der so bestimmte Schlichter keinen Frieden schaffen, wirft er seine Stimme in die Waagschale.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) machte am Mittwoch klar, wem der CDU-Kompromiss helfen wird: der wahlkämpfenden CDU in NRW. Der Anstoß zur Mindestlohninitiative letzten November sei schließlich aus Nordrhein-Westfalen gekommen, sagte sie: „Insofern wird es ihnen sicherlich auch enormen Schub geben.“
Anreiz für Scheingewerkschaften
Ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske hält den CDU-Vorschlag für „völlig unzureichend“: „Die Politik darf sich nicht vor ihrer Verantwortung drücken und sollte endlich einen Mindestlohn von wenigstens 8,50 Euro politisch festlegen“, sagte er. Entsetzt ist man bei Ver.di darüber, dass die Regelung letztlich größeren Schaden als Nutzen anrichten könnte. Sie böte „vielen Unternehmen einen Anreiz, sich Pseudogewerkschaften als Partner für Hungerlohntarifverträge zu suchen oder selbst solche zu gründen“, sagte Bsirske.
Ein weiteres Detail aus dem CDU-Eckpunktepapier birgt noch größeren Konfliktstoff. So ist vorgesehen, die sogenannte Nachwirkung aller Tarifverträge auf 18 Monate zu begrenzen. Eigentlich will die Union damit verhindern, dass ein Mindestlohn in einer Branche nicht festgesetzt werden kann, weil ein bereits ausgelaufener Tarifvertrag weiterhin nachwirkt. Doch mit ihrem Vorschlag würde sie in allen Branchen die Nachwirkung von Tarifverträgen nach 18 Monaten beenden.
Und damit alle Regelungen zu Urlaubsansprüchen, Arbeitszeiten oder auch Lohnhöhen, die die Beschäftigten jahrelang vor einer Verschlechterung ihrer Bedingungen bewahren, wenn ein Arbeitgeber sich weigert, einen neuen Tarifvertrag auszuhandeln. „Die Nachwirkung ist ein hohes Gut, das wir nicht kampflos aufgeben werden“, sagte Ver.di-Sprecher Christoph Schmitz.
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