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CDU-Querelen um Merz-ÄußerungenLinnemann will mehr Geschlossenheit

Der designierte CDU-Generalsekretär wirft sich für seinen Parteichef in die Bresche. Einige würden Friedrich Merz „bewusst missverstehen wollen“.

Versucht, den Durchblick zu behalten: designierter CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin dpa/afp/taz | CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat seine Partei nach den Querelen um den Kurs gegenüber der AfD zur Geschlossenheit aufgerufen. Zur Debatte um Äußerungen von Parteichef Friedrich Merz in einem ZDF-Interview vor einer Woche sagte Linnemann den Zeitungen der Funke Mediengruppe, er habe sich „darüber geärgert, dass manche in der Partei die Debatte über die Äußerungen aus dem Sommerinterview auf Twitter geführt haben“. Dies schade „nur der CDU“.

CDU-Chef Merz hatte in dem Interview eine Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD auf Landes- oder Bundesebene zwar abermals ausgeschlossen, sich aber zugleich für einen pragmatischen Umgang mit gewählten Amtsträgern der AfD ausgesprochen. Nach breiter Kritik auch aus den eigenen Reihen erklärte Merz jedoch, es werde „auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben“.

Mit Blick auf den Umgang mit Merz' Äußerungen sagte Linnemann: „Ich habe immer mehr den Eindruck, dass einige ihn bewusst missverstehen wollen.“ Was die AfD betrifft, gebe es „einen glasklaren Beschluss, dass wir auf allen Ebenen eine Zusammenarbeit entschieden ablehnen“. Auch Merz habe „ganz klar gesagt, dass wir nicht mit der AfD zusammenarbeiten“. Dies gelte auch noch nach den Kommunalwahlen und drei Landtagswahlen in Ostdeutschland im nächsten Jahr.

Merz habe indes „eine Realität beschrieben, mit der alle Parteien umgehen müssen“, fügte Linnemann an. Es gebe einen AfD-Landrat in Thüringen und gleichzeitig Bürgermeister anderer Parteien. „Wenn der Landrat wegen einer Schulsanierung anruft, hebt der Bürgermeister natürlich ab“, sagte der CDU-Generalsekretär. Es sei „nur ehrlich, wenn Friedrich Merz diese Fakten benennt“. Diese beträfen „nicht nur uns, sondern auch SPD, Grüne und FDP“.

Diskussion über Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland

Unterdessen hat Merz vor der Gefahr eines wirtschaftlichen Abstiegs Deutschlands gewarnt und ein Gegensteuern der Bundesregierung verlangt. Mitten im Sommer stiegen die Arbeitslosenzahlen, und trotz des Fachkräftemangels habe die Zahl der Insolvenzen im ersten Halbjahr 2023 um 16 Prozent über dem Vorjahr gelegen, sagte der CDU-Chef der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Zudem sei die Industrieproduktion rückläufig. „Das muss uns als ein Land mit hohem Industrieanteil zutiefst besorgen.“

Man müsse sich fragen, ob der Arbeitsmarkt bei 769.000 offenen Stellen und 2,55 Millionen Arbeitslosen eigentlich noch richtig funktioniere, sagte Merz. „Oder richten wir uns darauf ein, dass wir den Arbeitskräftebedarf nur noch mit immer höherer Einwanderung decken?“ Wenn dem so sei, müsse sich die Bundesregierung fragen lassen, warum sie es nicht schaffe, dass wenigstens diejenigen aus dem Ausland kommen könnten, die schon vor Wochen oder Monaten entsprechende Anträge gestellt haben.

„Bei den Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland bleiben Anträge in fünfstelliger Zahl unbearbeitet liegen“, kritisierte Merz. Die Union habe deshalb vorgeschlagen, die Einwanderung in den Arbeitsmarkt und die Asylverfahren komplett voneinander zu trennen und eine rein digitale Bearbeitung der Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen einzurichten. Dies habe die Bundesregierung jedoch abgelehnt. „Wir benötigen aber dringend modernste digitale Verfahren, damit wir diejenigen erreichen, die wir für unseren Arbeitsmarkt brauchen.“

Demgegenüber kritisierte der designierte CDU-Generalsekretär Linnemann, dass die Bundesregierung bei der Lösung des Fachkräftemangels nach seiner Ansicht zu sehr auf Zuwanderung aus dem Ausland setze. „Die Bundesregierung macht den Fehler, sich vor allem auf die Zuwanderung von ausländischen Fachkräften zu fokussieren“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Das Potenzial ist aber gering: Pro Jahr wandern ungefähr 40.000 bis 60.000 Menschen aus Drittstaaten in den Arbeitsmarkt ein, das löst unsere Probleme nicht.“ Die Regierung ignoriere sträflich das Potenzial im Inland.

Linnemann schlug stattdessen dies vor: „Wer in Rente geht und freiwillig weiterarbeitet, soll 2.000 Euro im Monat steuerfrei verdienen dürfen. Außerdem gibt es allein 600.000 Menschen zwischen 18 und 24 Jahren, die weder arbeiten noch eine Ausbildung haben.“ Diese jungen Leute könne man nicht einfach verloren geben.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger kritisierte die Äußerungen Linnemanns. Die FDP-Politikerin warf der CDU am Sonntag vor, in der von ihr geführten Regierung die Fachkräftezuwanderung jahrelang verhindert und den Mangel so mitverursacht zu haben. „Dass sie daraus aber nichts gelernt hat, ist haarsträubend und wohlstandsgefährdend“, sagte sie. Natürlich müsse das inländische Potenzial ausgeschöpft werden. Ohne Fachkräftezuwanderung werde es aber angesichts einer alternden Gesellschaft nicht mehr gehen.

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3 Kommentare

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  • Die Kritik der Ministerin greift noch zu kurz: Mit ihren regelmäßigen Kampagnen gegen Zuwanderung, für eine „Leitkultur“, gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, für kritikloses „Racial Profiling“, gegen eine größere soziale Durchlässigkeit (durch Erbschafts- und Vermögenssteuer, kostenlose Bildung etc.) pp. hat die Union über Jahrzehnte die Zuwanderung gezielt zu verhindern gesucht und einheimische Fachkräfte ebenso vergrault wie sogar hier Ausgebildete und Integrierte abgeschoben.



    Ich lese aber nicht, dass das als Fehler eingestanden wird – was ein echter Erkenntnisfortschritt wäre – oder dass (z.B.) eine Verbesserung der Ausbildung von den Arbeitgebern eingefordert würde. Wer weder als bis vor Kurzem Regierungspartei Leistung geliefert noch als Opposition echte Alternativen (statt bloßem Gemecker) anzubieten hat, liefert einen echten Offenbarungseid.

  • "Wenn ich das so gesagt habe, habe ich es so nicht gemeint!"

    Der Klassiker.

    Ja, Hr. Linnemann ist schon gut. Mit diesen alten Strategien holen sie doch nun wirklich keinen Wähler von seinem Arbeitsplatz zur Wahlurne und schon nicht das Kreuz an der CSDU Stelle zu machen.

    Die CSDU ist auf ihrem Selbstfindungstripp?

    Die CSDU bemerkt, das politische Aussagen heute nicht mehr so leicht über die Lippen gehen sollten, wie noch zu Zeiten der letzten CSDU Kanzlerin.



    Zudem bemerkt die CSDU langsam aber sicher, welch viele "Baustellen" sie in den 16 Jahren Regentschaft erzeugt und nicht vorwärts gebracht hat. Die Versäumnisse der CSDU der letzten Jahre werden immer mehr zu wirtschaftlichen Grab unseres Landes, da diese so groß sind, als dass sie in wenigen Monaten aufgearbeitet werden könnten.

    Unzureichende Digitalisierung,



    unzureichende Einwanderung,



    unzureichender sozialwirtschaftlicher Ausgleich in der Bevölkerung,



    unzureichende Energiewende,



    unzureichende Verkehrswende,



    unzureichende Bildungswende

    16 Jahre lang auf der Bremse stehen jegliche Integration verhindern und erst heute langsam verstehen das unser Land international abgehängt ist.



    Laptop mit Lederhose bringt es eben nicht allein, das hat selbst Blackrock erkannt.

  • Linnemann beklagte sich, dass manche in der CDU Kritik an den AfD-Äußerungen Merz’ per Twitter äußern würden.



    Recht hat der Mann. Wo kommen wir hin, wenn Debatten, die öffentlich von Belang und für die CDU möglicherweise problematisch sein könnten, tatsächlich öffentlich diskutiert werden? Immer schön den Deckel draufhalten, Herr Linnemann, wie es sich für Konservative gehört. Gerade im Verhältnis zur AfD.



    Mich persönlich hat es ja etwas beruhigt, dass wenigstens einige prominente CDU-Politiker Merz öffentlich widersprochen haben. Aber nach der offiziellen Parteilinie scheint das nur störend und unerwünscht zu sein. Lieber abstrakt von einer Brandmauer gegen Rechts faseln, die angeblich steht.



    Wie diese Brandmauer “steht”, kann man hier in der taz im Interview mit dem Politikwissenschaftler Steven Hummel nachlesen:



    taz.de/Forscher-ue...lpolitik/!5947569/