CDU-Politiker über Rettungsschirm: „Kein kultureller Kahlschlag“
Mit Uwe Becker lobt auch ein CDU-Politiker den Vorschlag von SPD-Finanzminister Scholz zur Rettung der Kommunen. Es geht um 57 Milliarden Euro.
taz: Herr Becker, führende Unionspolitiker aus Bayern und Baden-Württemberg haben den Vorschlag – ein Rettungsschirm, je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert – als eine „Unverschämtheit“ oder einen „Griff in die Mottenkiste“ bezeichnet. Finden Sie diese Wortwahl angemessen?
Uwe Becker: (lacht) Jeder muss Bewertungen so bezeichnen, wie er das für richtig hält.
Wie ist Ihre Position?
Es ist wichtig, dass der Bund sich Gedanken macht, wie er den Kommunen hilft. Einen Fonds aufzulegen, um den Städten und Gemeinden zu helfen, die akute Einbrüche bei der Gewerbesteuer verkraften müssen, ist nach meiner Meinung dringend notwendig. Über Einzelheiten muss man sprechen, auch über das Zusammenspiel von Bund und Ländern. Die Kommunen werden jedenfalls nicht ohne Hilfe von Bund und Ländern auskommen.
Bürgermeister Uwe Becker, CDU, ist Kämmerer der Stadt Frankfurt am Main, die von einem Bündnis aus CDU, SPD und Grünen regiert wird. Die Corona-Pandemie führt nach seinen Berechnungen zu dramatischen Einnahmeausfällen der Stadt.
Der hessische Ministerpräsident, CDU-Vize Volker Bouffier, hat den Vorschlag von Scholz zurückgewiesen. Hessen habe seine Hausaufgaben gemacht, und die hessischen Kommunen mit 5 Milliarden Euro aus dem Landesetat weitgehend entschuldet.
Wenn die Kritik auf den Altschuldenfonds zielt, ist sie berechtigt. Da muss man ein kritisches Auge drauf haben, dass man nicht die bestraft, die sich über die Jahre ordentlich verhalten haben. Mir geht es um akute Hilfe für die Kommunen, denen die Gewerbesteuereinnahmen wegen Corona wegbrechen und die Unterstützung brauchen. Da ist es zwingend, dass sich Bund und Länder einigen.
Erwarten Sie jetzt eine ernsthafte Debatte oder wird der Scholz-Vorschlag im alltäglichen Klein-Klein zwischen den Berliner Koalitionsparteien zerrieben?
Ich erwarte eine Einigung noch vor der Sommerpause. Ich habe den Eindruck, dass man verstanden hat, dass die Kommunen die Corona-Pandemie nicht ohne einen Schutzschirm überstehen können.
Wie dramatisch hat sich die Finanzsituation Ihrer Stadt durch die Pandemie verändert?
Wir haben Stand Mitte Mai in diesem Jahr 230 Millionen Euro weniger an Gewerbesteuer eingenommen als im vergangenen Jahr. Nimmt man die letzte Steuerschätzung, dann muss ich bei einem jährlichen Gewerbesteueraufkommen von 2 Milliarden Euro in diesem Jahr mit 500 Millionen weniger rechnen, allein bei der Gewerbesteuer.
Wo werden Sie sparen? Sie haben gefordert, das geplante Kinder- und Jugendtheater zurückzustellen. Was ist mit der Sanierung oder dem Umbau von Oper und Städtischen Bühnen?
Der Oberbürgermeister (Peter Feldmann, SPD; Anm. d. Red.) hat die Zukunft der städtischen Bühnen infrage gestellt. Ob das klug ist, muss man sehen, denn das Projekt muss ja angegangen werden, und da heißt „später“ ja nicht unbedingt, dass es günstiger wird.
Wird wieder – wie so oft – auf Kosten von Kultur und Sozialem gespart?
Mit mir wird es weder einen sozialen noch einen kulturellen Kahlschlag geben. Man muss wissen: Wenn Strukturen einmal weggebrochen sind, sind sie weg. Das gilt generell, von der Nachbarschaftshilfe bis zum Bildungsbereich. Frankfurt ist eine wachsende Stadt und damit wachsen auch die Aufgaben und die dafür nötigen Ausgaben. Wir müssen verantwortlich schauen, wo wir Prioritäten setzen. Das wird im Herbst geschehen, wenn wir die Entwicklung klarer einschätzen können.
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