CDU-Kritik an Merkel: "Der Tonfall gefällt mir nicht"
Das meint Exarbeitsminister Norbert Blüm und formuliert damit ein in der Union weit verbreitetes Unbehagen über Merkels Kritik an den Papst. Die hat inzwischen ein Stück zurückgerudert.
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Nach etwas mehr als 48 Stunden schloss die Bundeskanzlerin Frieden mit dem Vatikan. Vor derselben grauen Wand im Kanzleramt, vor der Angela Merkel am Dienstag den Papst im Beisein eines ausländischen Gastes kritisiert hatte, äußerte sie am Donnerstag wiederum im Beisein ausländischer Gäste ihr Wohlwollen. Dass der Papst den Holocaustleugner Richard Williamson zum Widerruf seiner Aussagen aufgefordert habe, sei "ein wichtiges und auch ein gutes Signal", sagte Merkel.
Die Klarstellung war auch deshalb nötig, weil sich die Kanzlerin mit ihrer Kritik am Papst viel interne Kritik aus den Unionsparteien zugezogen hatte - und das keineswegs nur aus deren äußerster rechter Ecke. "Der Tonfall gefällt mir nicht", sagte etwa der frühere Arbeitsminister Norbert Blüm. "Ich bin empfindlich, wenn staatliche Anweisungen zu innerkirchlichen Belangen erteilt werden. Staat und Kirche sind bei uns Gott sei Dank getrennt." Nach der Demütigung, die der Sozialpolitiker auf dem Leipziger Parteitag 2003 durch die Vorsitzende erfuhr, hat Blüm zwar noch eine Rechnung mit Merkel offen, mit seiner Wortmeldung artikulierte er aber ein Unbehagen, das in der Partei weit verbreitet ist.
Auf Distanz ging auch Bundestagspräsident Norbert Lammert. Der nordrhein-westfälische Christdemokrat kritisierte "eine Art rhetorischen Überbietungswettbewerb" in Sachen Papstkritik. "Die nächste öffentliche Aufforderung an den Vatikan, wie er sich gefälligst verhalten müsse, ist sicher nicht hilfreich." Lammert hatte allerdings schon vor fünf Jahren im Streit über den hessischen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann zu jenen gehört, die den Ausschluss des Politikers aus der Bundestagsfraktion skeptisch beurteilten.
In der Partei werden Parallelen zu Merkels Vorgehen im Fall Hohmann ebenso gezogen wie zu der Affäre um die Trauerrede des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger für seinen verstorbenen Vorgänger Hans Filbinger. In beiden Fällen hatte Merkel auf einer klaren Abgrenzung von jeder Form des Geschichtsrelativismus bestanden. Als Unterschied wird aber gesehen, dass der Papst anders als Hohmann oder Oettinger nicht der CDU angehört und insofern nicht der Disziplinargewalt der Kanzlerin untersteht.
So kam eine der ersten kritischen Äußerungen zu Merkel vom scheidenden Vorsitzenden der baden-württembergischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, Georg Brunnhuber. Er hatte Oettingers Filbinger-Rede seinerzeit als bestandene "Meisterprüfung" gelobt. Jetzt sagte Brunnhuber, der in Württemberg der katholischen Minderheit angehört: "Viele CDU-Mitglieder halten die Einlassungen der Kanzlerin nicht für richtig." Öffentliche Aufforderungen an den Papst führten "garantiert ins Leere".
Die lauteste Kritik an Merkel aber kam wieder von der bayerischen Schwesterpartei. "Die Bundeskanzlerin hat mit ihrer Kritik an Benedikt XVI. überzogen", sagte etwa der Europaabgeordnete und niederbayerische CSU-Bezirkschef Manfred Weber, der sonst nicht als Polemiker gilt. Zu Wort meldeten sich auch die üblichen Verdächtigen vom äußersten rechten Rand, der Aschaffenburger Bundestagsabgeordneten Norbert Geis etwa oder auch der Europaabgeordnete und Sudetendeutschen-Funktionär Bernd Posselt. Er riet der Kanzlerin, lieber "in der Berliner Koalition verstärkt christliche Grundsätze durchzusetzen".
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