CDU-Kandidat Dietrich Wersich im Interview: „Die AfD ist brandgefährlich“
Der Hamburger CDU-Bürgermeisterkandidat Dietrich Wersich über Machtoptionen, Mitregieren, miese Umfrageergebnisse und Konkurrenz von rechts.
taz: Herr Wersich, wir vermuten, Sie sind derzeit kein Freund von Wahlumfragen. Unter 20 Prozent für die CDU sind ein deutlicher Vorbote einer sich anbahnenden Wahlniederlage.
Dietrich Wersich: Umfragen sind Spekulationen und ersetzen nicht die Wahl. Sie sind sicher ein Indikator und dass es völlig anders kommt, glaube ich auch nicht, obwohl es zuletzt in den neuen Bundesländern große Abweichungen zwischen Umfragen und Wahlergebnis gab. So zu tun, als sei die Umfrage schon die Wahl, fördert nicht die Wahlbeteiligung und tut der Demokratie nicht gut. Entscheiden werden die, die wählen gehen.
Erstaunlich viele Wahlberechtigte, auch viele CDU-Wähler, sind mit Olaf Scholz als Bürgermeister sehr zufrieden.
Es waren vier unaufgeregte Jahre. Scholz musste keine unpopulären Entscheidungen treffen, so wie wir damals 2009/2010 in der schwersten Wirtschaftskrise seit 1929. Wenn Probleme auftauchten, hat er sie mit viel Geld gelöst. Trotzdem haben wir so viele Proteste wie nie zuvor. Das Rotstiftbündnis im Bereich der Wohlfahrt, die Eltern und Lehrer, die zu Tausenden auf die Straße gehen, weil die Inklusion nicht funktioniert, die Kitakräfte wegen der schlechten Betreuungsschlüssel, der Volksentscheid gegen die Busbeschleunigung.
In vielen Bereichen hat der Senat jetzt noch einmal Geld in die Hand genommen.
Dass die SPD kurz vor der Wahl noch einmal nachbessert und in wichtigen Feldern ihre Politik ändert, sollte die Wähler eher misstrauisch machen. Die Allmacht der SPD war für Hamburg noch nie gut. Sie öffnet dem Filz und einer Arroganz der Macht Tür und Tor, mit der dann über die Menschen und deren Probleme hinweggegangen wird. Diese Alleinherrschaft darf nicht fortgesetzt werden.
Sie messen mit zweierlei Maß: Die CDU-Alleinherrschaft von 2004 bis 2008 haben Sie als die besten Jahre für Hamburg bezeichnet.
Das waren auch nicht Jahre des Filzes, sondern des Aufbruchs. Es gab wichtige Impulse im Tourismus, der Kreuzfahrt, der Kultur, es wurden neue Hochschulen in Hamburg gegründet, die Airbus-Erweiterung und die die Hafencity vorangetrieben. In den letzten vier Jahren gab es keine bedeutenden und weitsichtigen Entscheidungen. Scholz hat sich bemüht, ordentlich zu verwalten, aber das reicht für eine lebendige Metropole nicht aus.
Dietrich Wersich
50, leitet seit März 2011 die größte Oppositionsfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. In der Legislaturperiode davor war er in einer schwarz-grünen Koalition Senator für Gesundheit und Soziales. Wersich hat Medizin studiert, als Arzt gearbeitet und nebenbei mehrere Theater geleitet.
Trotzdem ist Olaf Scholz unglaublich populär, während es der CDU nicht gelungen ist, Sie so richtig bekannt zu machen.
Es ist normal, dass sich die Wähler erst kurz vor der Wahl für den Herausforderer interessieren. Alle, die zur Wahl gehen wollen, kennen jetzt auch die Spitzenkandidaten. Ich werde inzwischen überall angesprochen und bekomme viel Zuspruch.
Wie lautet ihr konkretes Wahlziel?
Ich kämpfe für eine starke CDU. Die Alleinherrschaft der SPD muss beendet und die Zersplitterung des Parteiensystems in der Bürgerschaft verhindert werden. All das täte Hamburg gut.
Sie spielen auf den drohenden Wahlerfolg der AfD an!
Im AfD-Programm steht alles drin, was irgendwo schon mal irgendwen gestört hat. Und die Forderung, dass Deutschland aus dem Euro austreten soll, ist brandgefährlich, gerade für die Wirtschaft in Hamburg.
Eine Zusammenarbeit schließen Sie aus?
Wer brandgefährlich für unsere Stadt ist, ist für uns kein Partner.
Von inhaltlicher Erneuerung ist wenig zu erkennen. Die CDU setzt wieder auf „Freie Fahrt für freie Bürger“ oder Sicherheit und Ordnung.
Wir haben mit dem Leitbild der „Wachsenden Stadt“ die richtigen Impulse gesetzt, daran wollen wir anschließen: in Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft. Aber auch Sicherheit spielt für die Menschen eine große Rolle, genau wie Sauberkeit im Stadtbild. Das darf die Politik nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Vieles, was Sie fordern, kostet viel Geld. Wo also würde die CDU kürzen?
Wir haben bei den Haushaltsberatungen konkrete Finanzierungsvorschläge für unsere Kernforderungen gemacht. Ein Beispiel: Durch den Stopp des Busbeschleunigungsprogramms werden Gelder frei für einen Fonds für moderne Verkehrsleittechnik mit 50 Millionen Euro. Es ist klüger, in eine bessere Verkehrslenkung und Baustellenkoordination zu investieren als in den Rückbau von Busbuchten oder den Bau von Sprunginseln. Der Spielraum für Umschichtungen ohne neue Schulden ist da.
Und auch ohne Kürzungen im sozialen Bereich?
Im Gegenteil. Die Freien Träger müssen wieder einen Tarifausgleich bekommen, so wie früher üblich. Viele Träger bekommen derzeit noch nicht einmal den Inflationsausgleich. Ständige Nulldiät aber bedeutet ständiges Aushöhlen dieser Infrastruktur.
Also würden Sie von der scholzschen Linie, es gibt nur 0,88 Prozent Steigerung, abweichen? In allen Bereichen?
Ja. Sie können auch die Kultur oder die Bezirke nicht auf diese Weise aushungern. Diese Sparpolitik ist nicht ehrlich und keine Aufgabenkritik, weil die SPD nicht sagt, worauf sie verzichten will. Diese langsame Aushöhlung führt dazu, dass viele Bereiche kaputt gespart werden.
Was würde sich bei CDU-Regierungsbeteiligung ändern?
Wir müssen mehr in die Bildung stecken, mehr in den Hafen investieren, die Verkehrsinfrastruktur in und um Hamburg ausbauen, diesen Unsinn mit den „Park & Ride“-Gebühren stoppen und viel Geld beim Busbeschleunigungsprogramm sparen. Wir müssen aber auch mehr tun für Sicherheit und Sauberkeit, den bezirklichen Ordnungsdienst und die Polizeipräsenz in den Stadtteilen erhöhen. Diese Bereiche müsste man in einer Koalition wiederfinden …
… die die SPD ablehnt, während Sie sich als Juniorpartner einer großen Koalition andienen und so tun, als wedele der Schwanz dann mit dem Hund.
Ich habe keine romantischen Vorstellungen vom Regieren. Sollten wir die genannten Punkte umsetzen können, bin ich bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Wenn die SPD sagt, wir wollen das nicht, dann brauchen wir eine starke CDU in der Opposition. Regieren um jeden Preis, das machen wir nicht.
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