piwik no script img

CDU IM STREIT: FRIEDRICH MERZ ERKLÄRT HEINER GEISSLER FÜR KONFUSVollstrecker des sachlichen Irrsinns

Friedrich Merz hält sich für sachlich. Heiner Geißler hingegen hält er für konfus. Mit dem zu diskutieren, lohne nicht mehr. Der hat sich verabschiedet in Mattos Reich, wo der Irrsinn regiert. Das sei, so teilte der Fraktionsvorsitzende der CDU dem Fernsehpublikum mit, auch die Meinung seiner Kollegen.

Geißler hatte zuvor die drohende Tötung und Verbrennung tausender von Rinderkadavern mit anderen Verbrennungsaktionen in Verbindung gebracht, an denen es in der jüngsten deutschen Geschichte bekanntlich nicht mangelt. Von den Bücherfeuern des Jahres 1933 zu den Krematorien seit 1942. Ein illegitimer Vergleich? Auf alle Fälle eine Provokation, die die Untaten der industrialisierten Landwirtschaft bloßstellt.

Unter Profitgesichtspunkten, so Geißler, mag es ja sinnvoll sein, vegetarische Wiederkäuer mit klein gemahlenen Kadavern zu füttern oder ganze Teile des Viehbestands zu vernichten. Aber ist das human, genauer, ist es christlich, mit großem C? Franz von Assisi hatte in diesen Dingen klare Auffassungen. Aber auch der galt ja als verrückt. Er unterhielt sich mit den Vögeln, zum Beispiel mit dem weißen Raben, der ihm, in Pasolinis „Große Vögel, kleine Vögel“, etwas über antikapitalistische Strukturreformen erzählte. Später wurde der weiße Rabe geschlachtet. Aber ist das ein Argument?

Der heilige Franziskus, ein Sohn aus reichem Hause, brach mit den Vorstellungen über Reichtumsakkumulation und mit dem Hochmut und der ausbeuterischen Geringschätzung, mit der die gebildete Welt schon zu seiner Zeit der Tierwelt begegnete. Auch Heiner Geißler hat einen langen Weg hinter sich, vom Generalsekretär der CDU, von der Parole „Freiheit statt Sozialismus“, von „Der Pazifismus führte nach Auschwitz“ zum franziskanischen Christentum. So einer hat in der Fraktion der CDU/CSU tatsächlich nichts zu suchen.

Politiker und Gelehrte der Status-quo-Welt haben es schon immer vorgezogen, die Abtrünningen des eigenen Lagers als „konfus“ abzustempeln. „Wirr“ waren die Reden der Pazifisten, „hysterisch“ die Aktivistinnen der Frauenbewegung, „Chaoten“ die linksradikalen Studenten. Rational, streng sachlich waren nur die, die als Vollstrecker und Helfershelfer des Irrsinns Deutschland zweimal in die Katastrophe geführt haben.

Friedrich Merz, der überaus Sachliche, betet den Fetisch Markt an. Das ist sein sichtbarer Gott. Wie alle fischblütigen Bourgeoisdoktrinäre verwechselt er die Wirklichkeit mit den ideologischen Annahmen über sie. Heiner Geißler hingegen ist ein Christ, der die Augen offen hält. Hellsichtige Konfuse aller Glaubensrichtungen, heißt ihn willkommen! CHRISTIAN SEMLER

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen