CDU-Fraktion in Niedersachsen: Konservativer Männerhaufen
Die CDU besetzt fast alle Posten in der Fraktion und im Landtag mit Männern. Die Frauen-Union ruft Quote. Das passt nicht allen Frauen.
HANNOVER taz | Die Bilanz der CDU-Fraktion in Niedersachsen ist miserabel: Fast alle wichtigen Posten haben im neuen Landtag Männer bekommen. Der Fraktionsvorsitzende ist ein Mann und fünf seiner sechs Stellvertreter sind auch Männer. Der parlamentarische Geschäftsführer ist ein altgedienter Abgeordneter. Die stellvertretenden Landtagspräsidenten der Konservativen sind, klar, auch Männer. Und eine paritätische Besetzung der Ministerposten hat die Große Koalition auch nicht hinbekommen – auch wenn ein Teil der Schuld daran natürlich bei der SPD liegt.
„Ich war entsetzt, welch katastrophales Bild der Teilhabe von Frauen in Führungspositionen die CDU nach außen abgibt“, sagt die Vorsitzende der Frauen-Union in Niedersachsen, Ute Krüger-Pöppelwiehe. Die Männer behielten die attraktiven Posten, in denen es meist auch ein zusätzliches Gehalt gebe, für sich. „Das hat viel mit Geld zu tun“, sagt die 56-Jährige. Das Grundproblem liege aber schon in den Wahlkreisen: Nur neun der 50 CDU-Landtagsabgeordneten sind Frauen. Das sind 18 Prozent. Nur die AfD ist mit rund elf Prozent schlechter. Dort sitzt nur eine Frau in der Fraktion.
„Mir ist bei dieser Landtagswahl keine einzige Frau bekannt, die Kandidatin in einem Wahlkreis war, der komfortabel hätte gewonnen werden können“, sagt Krüger-Pöppelwiehe. Die sicheren Wahlkreise bekämen bei der CDU die Männer.
Acht der neun Frauen zogen deshalb über die Landesliste in den niedersächsischen Landtag ein. Doch auch hier gebe es kein durchgängiges Reißverschlussverfahren für Männer und Frauen: „Hätten wir das gehabt, säßen jetzt zwei Frauen mehr im Parlament“, sagt Krüger-Pöppelwiehe. Die Chefin der Frauen-Union fordert deshalb eine Quote, auch wenn das Wort innerhalb der CDU ein Schreckgespenst sei. „Es geht nicht unter 50:50“, sagt sie. „Und zwar auch bei den Posten.“
Altgediente Herren sichern sich attraktive Posten
Einer der altgedienten CDU-Herren, der sich gerade einen attraktiven Posten gesichert hat, ist Bernd Busemann. Der frühere Landtagspräsident ist nun der Stellvertreter seiner Nachfolgerin Gabriele Andretta (SPD). Er meint, dass eine stärkere Beteiligung von Frauen „von unten“ kommen müsse. „Es ist nicht damit erledigt, wenn wir oben Posten verteilen“, sagt er.
Man könne nicht oben „ein paar andere killen“ und da „unsere Quotenfrauen“ hinsetzen. Das würde die Demokratie aushebeln, sagt Busemann. Schließlich bewerbe man sich um ein solches Amt und werde gewählt. Das stehe auch Frauen offen.
Bernd Busemann, CDU
„Ich habe eine qualifizierte Leistung als Präsident hinter mir. Soll ich mich in Luft auflösen?“, antwortet der 65-Jährige auf die Frage, ob er im Landtagspräsidium nicht auch Platz für eine Frau hätte machen können.
Editha Westmann hat sich nicht für eine Kampfkandidatur um so einen Posten entschieden. „Ich wusste ziemlich zeitig, dass ich da keine Chance haben würde“, sagt die CDU-Abgeordnete. Und das liege „in gewisser Weise schon“ an ihrem Geschlecht, sagt sie zurückhaltend.
Dennoch bedaure sie, dass es so wenig Frauen in Spitzenpositionen geschafft haben. In der Partei müsse ein „wirklich langer Prozess“ stattfinden. „Man muss die Frauen schon auf der unteren Ebene aufbauen“, sagt Westmann. „Es ist zu spät, wenn man erst anfängt, wenn die Posten zu vergeben sind.“
CDU hat Problem mit Frauenförderung
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Toepffer sieht das ähnlich. „Wir haben als CDU grundsätzlich ein Problem mit Frauenförderung“, sagt er. Trotzdem reagiert er zunehmend gereizt, wenn er auf die Postenverteilung angesprochen wird. „Ich empfinde die Diskussion als ungerecht“, sagt er. Schließlich habe er seine sechs Stellvertreter, unter denen nur eine Frau ist, nicht ernannt. Die Fraktion habe sie gewählt. Und neben dem Geschlechterverhältnis müsse vor allem der Regionalproporz berücksichtigt werden, sagt Toepffer. Jede Ecke Niedersachsens will im Fraktionsvorstand vertreten sein.
Mareike Wulf ist die eine Frau, die trotz starker Eigeninteressen der Bezirks- und Landesverbände stellvertretende Fraktionsvorsitzende geworden ist. Im Landtag sitzt sie in der ersten Reihe der Fraktion, obwohl es ihre erste Legislaturperiode ist. „Für mich gab es diesen Weg in eine Führungsposition“, sagt sie. „Dass ich eine Frau bin, stand mir dabei nicht im Wege.“ Im Gegenteil: Sie sei vom Fraktionsvorsitzenden Toepffer gezielt gefördert worden.
Eine Quote sieht sie skeptisch. „Ich fände es wünschenswert, wenn wir Mechanismen hätten, die die Parität ohne Quote erreichen“, sagt Wulf. Es könnten etwa gezielt Frauen gefördert werden, die die Familienphase schon etwas hinter sich hätten.
Der Frauen-Unions-Chefin Krüger-Pöppelwiehe sind solche Vorschläge zu zaghaft. „Wenn Männer das Potenzial einer Frau erkennen und sie zu einer Konkurrentin werden könnte, nutzen sie ihre Netzwerke, um sie außen vor zu halten“, sagt sie. Deshalb fordert Krüger-Pöppelwiehe „eine Beteiligung der Frauen entsprechend ihres Bevölkerungsanteils – auf allen Ebenen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste