Buzzfeed siegt gegen Abtreibungsgegner: Sie dürfen ihn beim Namen nennen
Buzzfeed darf den Klarnamen eines Abtreibungsgegners nennen, der hobbymäßig Ärzt*innen anzeigte. Das hat ein Gericht am Mittwoch entschieden.
Das Landgericht Düsseldorf hat am Mittwoch dem Online-Medium Buzzfeed.News erlaubt, den Namen des Abtreibungsgegners zu nennen, der reihenweise FrauenärztInnen anzeigt. Ein zivilrechtlicher Eilantrag des Mannes wurde abgelehnt.
Yannic Hendricks ist Mathematikstudent und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Paragraph 219a Strafgesetzbuch durchzusetzen. Danach ist es ÄrztInnen verboten, öffentlich darauf hinzuweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.
Die Vorschrift spielte jahrzehntelang in der Praxis fast keine Rolle, bis Hendricks und ein anderer selbst ernannter „Lebensschützer“ ihren Feldzug begannen. Die Anzeigen führten unter anderem zur Verurteilung der Gießender Frauenärztin Kristina Hänel, die 6000 Euro Geldstrafe zahlen musste. Dieser Fall löste zugleich eine politische Debatte um die Abschaffung oder Änderung des Paragraphen 219a aus, die die große Koalition derzeit vor eine Zerreißprobe stellt.
Trotz dieses von ihm verursachten Wirbels wollte Hendricks aber nicht namentlich erwähnt werden. Interviews gab er zwar, aber unter Pseudonym. Er wolle sich vor „gewaltbereiten linken Abtreibungsbefürwortern“ schützen, so Hendricks. Als Buzzfeed im November 2018 Hendricks Namen nannte, meldete sich die bekannte Medienkanzlei Höcker und verlangte – wie zuvor schon in anderen Fällen – Unterlassung. Als Buzzfeed sich weigerte, beantragte Hendricks eine einstweilige Verfügung. Diese hat das Landgericht Düsseldorf nun aber abgelehnt.
Öffentliches Interesse bricht Persönlichkeitsrecht
Dabei mussten die Düsseldorfer Richter eine Abwägung treffen. Einerseits hat grundsätzlich jeder das Recht auf Anonymität und kann die Öffentlichmachung des Namens im Zusammenhang mit konkreten Sachverhalten verhindern. Dies ist ein Teil des Persönlichkeitsrechts.
Auf der anderen Seite stand das durch die Medienberichterstattung verkörperte öffentliche Interesse, das hier laut Landgericht aus drei Gründen Vorrang habe. Erstens habe Hendricks selbst durch seine reihenweise Anzeigenerstattung eine öffentliche Debatte angeregt. Zweitens habe er Interviews gegeben und sei damit als Person aus seiner Privatsphäre herausgetreten. Drittens habe Buzzfeed nicht zum ersten Mal den Namen in der Öffentlichkeit genannt, vielmehr sei dieser schon an anderer Stelle aufgetaucht.
Hendricks kann gegen die Eil-Entscheidung des Landgerichts noch Berufung beim Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen