Nachruf: Butziwackis
■ Die Fernsehkritikerin Ulrike Kowalsky ist tot
Die meisten Journalisten hoffen, vielleicht doch eines Tages einen weiteren Watergate- Skandal aufdecken zu dürfen. Andere zieht es ins Feuilleton, wo die Profilneurosen blühen. Und nur sehr wenige von ihnen widmen sich dem Medium, das Politik und Kultur vereint: dem Fernsehen.
Die Fernsehkritikerin Ulrike Kowalsky schätzte ihren Beruf genau deshalb – er bot ihr die Möglichkeit, an einer Schnittstelle zwischen Politik und Kultur gezielt zuzuschlagen. Nachdem Ulrike Kowalsky 1986 von ihrem Arbeitsplatz als taz-Setzerin in das neugegründete Medienressort gewechselt war, widmete sich die Fernsehfanatikerin mit Begeisterung den Serien, Talkshows, Spielfilmen und Magazinsendungen der deutschen Programme. Ob hier in der taz oder später bei der jungen Welt und beim Tip, wo sie zuletzt arbeitete: Im Gegensatz zu vielen Kollegen war sie nicht darauf aus, jeden Text unbedingt selbst zu schreiben. Als Redakteurin suchte sie lieber nach Autoren, deren Sprache sie liebte. Allerdings ließ sie auch deren Artikel selten unredigiert.
Die Tom-Kakonis-Leserin und John-Ford-Verehrerin legte Wert auf Genauigkeit. Fair, aber hart, diskutierte sie bisweilen stundenlang über ein einziges Wort oder verlegte die Suche nach der besten Formulierung auf den nächsten Tag. War sie aber erst zufrieden, ging sie gern mit ihrem gebeutelten Gesprächspartner ein Kristallweizenbier trinken, und wenn es nötig war, wurde bei dieser Gelegenheit ein Spatzenjunges vor dem sicheren Verkehrstod bewahrt.
Ulrike Kowalskys Forderung nach Klarheit und deutlichen Worten fand sich auch in ihrer eigenen, bayrisch geprägten Sprache. Sie tobte, wenn sich Ulrich Wickert wieder einmal „aufgemandelt“ hatte und „bazelte“ daraufhin einen geharnischte Kritik seines Buches zusammen; sie berichtete begeistert von einem Tierfilm über Krokodile, die am Ufer eines Flusses „herumgegrubschelt“ waren. Ihre höchste Auszeichnung, „Butziwacki“, verlieh sie nur äußerst selten: Horst Tomayer durfte diesen Titel tragen. Reichlich Mitmenschen aber hießen realitätsgetreu „Deppen“ (Jürgen Fliege, Sabine Christiansen, Karl Hermann).
Wer das große Glück hatte, kein Depp zu sein, fand in Ulrike Kowalsky eine kämpferische Kollegin und immer loyale Freundin. Als sie im vergangenen Jahr an Krebs erkrankte, traute niemand der Krankheit zu, Ulrike Kowalsky besiegen zu können. Aber diese Vorstellung war natürlich ein „Schmarrn“, wie sie sagen würde. Ulrike Kowalsky ist am 12. August im Alter von 46 Jahren gestorben. taz
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